Archäologie

Haben die Stonehenge-Erbauer hier abgeguckt?

Kreisgrabenanlage Flagstones ist Jahrhunderte älter als die Anfänge von Stonehenge

Flagstones
Diese Rekonstruktion zeigt die Kreisgrabenanlage von Flagstones in Südengland. Sie könnte das Vorbild für die Anfänge von Stonehenge gewesen sein. © Jennie Anderson

Steinzeitliche Kopie? Die Erbauer von Stonehenge könnten die Urversion ihres berühmten Monuments abgeguckt haben – von einer Kreisgrabenanlage an der südenglischen Küste. Denn das 100 Meter große Flagstones-Monument war ein Zwilling des frühen Stonehenge, entstand aber knapp 300 Jahre eher. Flagstones ist damit eine der ältesten und größten Kreisgrabenanlagen in Großbritannien – und war vielleicht von Vorbild für Stonehenge und Co., wie die Archäologen in „Antiquity“ berichten.

Die Jungsteinzeit war eine Ära der kultischen Großbauten. Anfangs dominieren dabei Ganggräber und gerade Steinreihen, später beginnen die Menschen, riesige ringförmige Anlagen zu errichten. Diese bestehen anfangs aus Kombinationen von Ringgräben, Erdwällen und Pfostenpalisaden, wie die Kreisanlage von Durrington Walls in Südengland, die Ur-Version von Stonehenge oder das Sonnenobservatorium von Goseck in Sachsen-Anhalt demonstrieren. Im Verlauf der Megalith-Kultur wurden einige dieser Ringheiligtümer dann zu gewaltigen Steinkreisen ausgebaut.

Flagstones-Ausgrabung
Der segmentierte Ringgraben von Flagstones bei Ausgrabungen in den 1980er Jahren. © Dorset Museum

100 Meter große Ringanlage

Eine der größten Kreisgrabenanlagen Großbritanniens ist Flagstones an der südenglischen Küste. Dieses Bauwerk liegt inmitten eines älteren Monumentkomplexes, zu dem auch Ganggräber und kleinere, runde Grubenwerke gehören. Flagstones hat jedoch einen Durchmesser von 100 Metern und besteht aus einem perfekt kreisförmigen, in Segmente unterteilten Ringgraben, der einst von aus Kalkbrocken aufgetürmten Wällen gesäumt gewesen sein könnte. Im Graben wurden mehrere dort bestattete Tote sowie Asche von verbrannten Toten gefunden.

„Flagstones ist ein ungewöhnliches Bauwerk“, erklärt Erstautorin Susan Greaney von der University of Exeter. „In einigen Aspekten ähnelt es den früheren, viel kleineren Grubenwerken, in anderen sieht es bereits aus wie die später entstandenen Henges.“ Bisher war jedoch unklar, wann genau Flagstones entstand. Greaney und ihr Team haben deshalb neue Proben der menschlichen Überreste, von Tierknochen und anderen organischen Relikten aus der Kreisgrabenanlage entnommen und sie mittels Radiokarbonmethode datiert.

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Älteste große Kreisgrabenanlage in Großbritannien

Das überraschende Ergebnis: „Die revidierte Chronologie verschiebt Flagstones in eine frühere Periode als wir erwartet hatten“, berichtet Greaney. Demnach wurden die ersten Gräben der Kreisanlage schon um 3650 vor Christus ausgehoben, fertiggestellt wurde der Ring dann um 3200 v. Chr. Zu dieser Zeit wurden auch die ersten Toten im Graben bestattet. Dies verschiebt die Konstruktion der steinzeitlichen Großanlage gegenüber früheren Schätzungen um mehrere Jahrhunderte in die Vergangenheit.

Flagstones ist damit die älteste große Kreisgrabenanlage in Großbritannien. Sie wurde bereits kurz nach den linearen Bauten der Region und fast zeitgleich mit großen Ganggräbern wie Newgrange in Irland erbaut, wie die Archäologen berichten. Die monumentale und perfekt kreisförmige Ringform von Flagstones leitete damit eine Innovation ein. „Die Chronologie von Flagstones ist essenziell, um die sich verändernde Abfolge der zeremoniellen Bauwerke und Grabanlagen in Großbritannien zu verstehen“, sagt Greaney.

Flagstones und Stonehenge
Wahrscheinliche Entstehungszeiten von Flagstones und Stonehenge im Vergleich. © University of Exeter

Vorbild für Stonehenge?

Dies wirft auch neues Licht auf das berühmteste Steinzeit-Monument Englands: Stonehenge. „Stonehenge ist das Schwester-Monument von Flagstones, denn in seiner erste Bauphase war es nahezu identisch“, erklärt Greaney. Auch Stonehenge begann als Ring aus segmentierten Gräben und Holzpfosten und auch dort wurde anfangs die Asche von Toten in den Gräben deponiert. Dieser Urkeim des späteren Steinkreises wird auf die Zeit um 2900 vor Christus datiert.

„Flagstones ist demnach bis zu 285 Jahre älter als Stonehenge – das ist angesichts der großen Ähnlichkeiten beider Monumente überraschend „, schreiben die Archäologen. „Könnte Stonehenge eine Kopie von Flagstones gewesen sein?“ Ob die Erbauer von Stonehenge bei ihren Nachbarn an der Südküste Englands „abguckten“ lässt sich heute nicht mehr klären. „In jedem Fall begründeten beide Kreisanlagen und ihre Bestattungen aber eine neue Monumenttradition in ihrer lokalen Umgebung“, erklären Greaney und ihr Team.

Warum wurde Flagstones aufgegeben?

Interessant jedoch: Während Stonehenge noch tausende Jahre lang genutzt und immer wieder umgebaut wurde, war dies bei Flagstones nicht der Fall. „Der Mangel an spätneolithischem Material in Flagstones deutet darauf hin, dass dieser Ort nicht nur unverändert blieb, sondern sogar gemieden wurde“, berichten die Archäologen. Warum die Ringanlage nach nur wenigen Jahrhunderten wieder aufgegeben wurde, ist unbekannt.

Stattdessen erbauten die Menschen ab etwa 2600 vor Christus nur wenige Kilometer entfernt ein neues Heiligtum: den „Superhenge“ Mount Pleasant. Diese ovale Kreisgrabenanlage ist an ihrer langen Achse rund 370 Meter groß und bestand aus einem Kreisgraben, Erdwällen und einem hölzernen Palisadenring. (Antiquity, 2025; doi: 10.15184/aqy.2025.28)

Quelle: University of Exeter

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