Verstärkte Erwärmung: Die zukünftigen Temperaturen könnten höher ausfallen als prognostiziert – selbst bei gedrosselten Emissionen, wie neue Langzeit-Prognosen nahelegen. Demnach können langsam wirkende Rückkopplungen, wie das Auftauen des Permafrosts, die Erwärmung stärker anheizen als es bisherige Simulationen gezeigt haben. Selbst vermeintlich „verträgliche“ Klimaschutzszenarien könnten demnach Folgen bis ins Jahr 3000 haben.
Eine der wichtigsten Kenngrößen des irdischen Klimasystems ist die Klimasensitivität. Sie steht für die erwärmende Wirkung der Treibhausgase und gibt an, um wieviel die Temperaturen steigen, wenn sich die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre verdoppelt. Laut letztem Weltklimabericht liegt die Klimasensitivität im Mittel bei drei Grad, die mögliche Spanne reicht aber von 2,5 bis vier Grad.
Allerdings ist der bloße CO2-Gehalt bei weitem nicht der einzige Einflussfaktor: Das irdische Klimasystem beruht auf einem fragilen Gleichgewicht unzähliger vernetzter Einflussfaktoren und Kippelemente. Einige davon wirken der Erwärmung entgegen, wie die chemische Verwitterung oder das bei steigenden CO2-Werten zunehmende Pflanzenwachstum. Andere wirken als positive Rückkopplung, darunter das schmelzende Meereis oder der auftauende Permafrost.
Klimasensitivität und Rückkopplungen
Doch welche Effekte überwiegen? Bisher ist dies strittig. Klimaforscher ermittelten im Jahr 2023 jedoch, dass 26 der 41 von ihnen identifizierten Rückkopplungen verstärkend auf den Klimawandel wirken. „Dies legt nahe, dass selbst gemäßigte anthropogene Emissionen das Erdklima durch eine Kette solcher nichtlinearen positiven Rückkopplungen destabilisieren könnten“, erklären Christine Kaufhold vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und ihre Kollegen.
Hinzu kommt, dass sich auch die Klimasensitivität selbst ändern könnte, wie eine ebenfalls 2023 veröffentlichte Studie ergab. Demnach sorgen Veränderungen in der irdischen Stratosphäre dafür, dass die aufheizende Wirkung des CO2 nicht linear ansteigt, sondern überproportional stark. Kaufhold und ihr Team haben nun einen weiteren Aspekt näher untersucht: die langfristige Wirkung aller bekannten Rückkopplungen im Kohlenstoffkreislauf. Diese teils sehr langsamen Prozesse, wie das Abtauen des Permafrosts, sind in gängigen Modellen nur zum Teil enthalten.
Der Grund: Diese Simulationen blicken oft nur bis zum Jahr 2100 voraus, langfristigere Prognosen erfassen dagegen oft nur einen Teil der Rückkopplungen. „Dies liegt vor allem daran, dass solche Erdsystemmodelle extrem aufwendig und teuer sind“, erklären die Forschenden. Zudem können nur wenige Modelle auch die Wirkung freigesetzten Methans adäquat berücksichtigen.
Prognosen für die nächsten tausend Jahre
Abhilfe schafft nun ein neuentwickeltes Erdsystemmodell, das besonders effizient und gleichzeitig leistungsstark ist. CLIMBER-X reproduziert zentrale physikalische, biologische und geochemische Prozesse des Klimasystems – inklusive eines vollständigen Kohlenstoffkreislaufs. Dadurch können die Forschenden simulieren, wie das Erdsystem auf unterschiedlich hohe Treibhausgasemissionen reagiert und welche Rolle dafür Rückkopplungen durch CO2 und Methan spielen.
Für ihre aktuelle Prognose simulierten Kaufhold und ihr Team die Klimaentwicklung der nächsten tausend Jahre. Ausgangspunkt waren dabei drei gemäßigte bis niedrige Emissionsszenarien – SSP1-2.6, SSP4-3.4 and SSP2-4.5. Diese Szenarien entsprechen in etwa den Klimaschutzzielen von 1,5 Grad, zwei Grad oder drei Grad Erwärmung gegenüber präindustriellen Werten. Zusätzlich variierte das Team in einigen Durchgängen auch die Klimasensitivität – statt drei Grad lag sie mal bei zwei, mal bei fünf Grad.
Das Ergebnis: In den meisten Szenarien führten die Rückkopplungen des Kohlenstoffkreislaufs zu höheren Temperaturen als es gängige Prognosen vorsehen. Gleichzeitig könnte die „Heißzeit“ länger anhalten. Der Simulation zufolge erhöhen in der Zeit ab 2300 vor allem der abtauende Permafrost und verstärkte Emissionen aus Feuchtgebieten die atmosphärischen CO2- und Methanwerte stärker als bisher erwartet. Dies heizt das Klima zusätzlich an.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die maximale Erwärmung in niedrigen bis moderaten Emissionsszenarien viel stärker ausfallen könnte als bisher angenommen“, sagt Kaufhold. Es könnte demnach sein, dass sich die Erde selbst bei ambitioniertestem Klimaschutz um 3,5 Grad statt der angestrebten 1,5 Grad erwärmt. „Die Wahrscheinlichkeit dafür ist nicht vernachlässigbar“, schreiben die Forschenden. Der Effekt der Rückkopplungen wäre noch größer, wenn die Klimasensitivität höher läge als der vom IPCC angenommene Mittelwert.
Besonders ausgeprägt wäre die Erwärmung in der Arktis: Im Jahr 2300 könnte es dort selbst im günstigsten Klimaschutz-Szenario um rund vier Grad wärmer sein. „In einige Regionen sogar bis zu elf Grad „, so das Team. Parallel dazu schrumpft die arktische Permafrost-Fläche nach Szenario um 30 bis 60 Prozent.
Folgen für Jahrhunderte
Zusammengenommen unterstreichen die Ergebnisse, dass die komplexen Rückkopplungen im Klimasystem noch lange nicht vollständig verstanden und modelliert sind. Die Zukunft könnte daher noch einige unangenehme Überraschungen für die Menschheit parat halten. „Unsere Forschung macht aber unmissverständlich klar: Was wir heute tun, wird das Leben auf diesem Planeten für Jahrhunderte prägen„, sagt Koautor Johan Rockström vom PIK.
„Das Zeitfenster, um die Erwärmung noch unter zwei Grad zu halten, schließt sich schnell. Wir sehen bereits, dass das Erdsystem an Stabilität verliert – das könnte Rückkopplungen auslösen, welche die Klimasensitivität erhöhen und damit zu beschleunigter Erwärmung und Abweichungen von bisherigen Prognosen führen“, so Rockström weiter. Entsprechend wichtig seien schnelle, drastische Emissionsminderungen. (Environmental Research Letters, 2025; doi: 10.1088/1748-9326/adb6be)
Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Environmental Research Letters