Durchleuchtet: Forscher haben einen Blick in das Innere unserer ältesten Wirbeltierverwandten geworfen. Ihre Röntgenanalysen zeigen: Das Skelett dieser frühen, fischartigen Vertebraten bestand aus Aspidin – einem Gewebe, das bisher eigentlich als Vorläufer mineralisierter Skelettstrukturen galt. Die neuen Analysen deuten nun jedoch darauf hin, dass es sich stattdessen bereits um eine Art von Knochen handelte – und werfen damit ein neues Licht auf die Ursprünge unseres Skeletts.
Das Skelett aller heute lebenden Wirbeltiere setzt sich aus vier unterschiedlichen Gewebetypen zusammen: Knochen, Knorpel, Dentin und Zahnschmelz. Diese Gewebe verfügen über eine außergewöhnliche Eigenschaft. Sie mineralisieren im Laufe ihrer Entwicklung – und verleihen dem Skelett auf diese Weise Stärke und Härte.
Der evolutionäre Ursprung dieses auch für das menschliche Skelett so charakteristischen Merkmals reicht weit in die Vergangenheit zurück. Erste Belege dafür finden sich schon in über 400 Millionen Jahre alten Fossilien sogenannter Heterostraci. Diese fischartigen Urwesen gehören zu den ältesten Wirbeltieren mit einem mineralisierten Skelett, die bisher bekannt sind. Doch aus welchem Gewebe war ihr Skelett genau aufgebaut?
Blick ins Skelett
Um dieses Geheimnis um die frühen Vertebraten zu lüften, haben Wissenschaftler um Joseph Keating von der University of Manchester nun ein modernes Röntgenverfahren zum Einsatz gebracht. Sie durchleuchteten Heterostraci-Fossilien mithilfe der Synchrotrontomographie, bei der hochenergetische Strahlung aus einem Teilchenbeschleuniger verwendet wird.
Der Blick tief ins Innere der Fossilien offenbarte: Das Skelettgewebe der Fische ist eine von winzigen Röhrchen durchzogene Struktur. In diesen Hohlräumen war ursprünglich einmal Kollagen enthalten – ein Protein, das auch in unserer Haut und in unseren Knochen vorkommt. „Es ähnelt aber keinem der Gewebe, die wir von heutigen Wirbeltieren kennen“, berichtet Keating.
„Früher als gedacht“
Trotzdem ist das nun durchleuchtete Gewebe den Forschern ein Begriff. Es handelt sich ihnen zufolge um das schon aus anderen Fossilfunden bekannte Aspidin. Das Interessante daran: Bisher galt dieser Gewebetyp als eine Art Übergangsform auf dem Weg zum mineralisierten Wirbeltierskelett. Dass Aspidin nun jedoch auch bei den Heterostraci eindeutig nachgewiesen werden konnte, deutet auf etwas anderes hin.
„Aspidin ist kein Vorläufer mineralisierter Gewebe – sondern bereits eine Art von Knochen“, konstatiert Mitautor Phil Donoghue von der University of Bristol. Damit eröffne diese Erkenntnis einen neuen Blick auf die Evolution unseres Skeletts: „Die Entwicklung von mineralisiertem Knochengewebe begann womöglich Millionen Jahre früher als bisher gedacht“, schließt der Wissenschaftler. (Nature Ecology & Evolution, 2018; doi: 10.1038/s41559-018-0624-1)
(Manchester University, 31.07.2018 – DAL)