Endlich nachgewiesen: Astronomen haben erstmals radioaktive Moleküle in einem Himmelsobjekt der Milchstraße nachgewiesen. Nach jahrzehntelanger Suche ist damit eine erste Quelle für ein bisher rätselhaftes Gammastrahlensignal in unserer Galaxie identifiziert. Die Forscher entdeckten die Spektralsignatur des radioaktiven Isotops Aluminium-26 und seiner Verbindung Aluminiumfluorid (AlF) im Sternenrest CK Vulpeculae – einem Objekt mit ungewöhnlicher Geschichte.
Darüber rätseln Astronomen schon seit Jahrzehnten: In unserer Galaxie messen Röntgenteleskope immer wieder eine Gammastrahlung, die auf die Präsenz eines radioaktiven Moleküls im All hindeutet. Diese Emission mit einer Energie von 1,809 Megaelektronenvolt (MeV) muss vom Betazerfall des Aluminiumisotops 26 stammen, wie man inzwischen weiß. Schätzungen nach gibt es immerhin rund zwei Sonnenmassen dieses radioaktiven Isotops allein in unserer Galaxie.
Doch welche Himmelskörper oder astronomischen Prozesse das radioaktive Aluminium produzieren, blieb bisher rätselhaft. Trotz intensiver Suche war es nie gelungen, dessen Quelle zu identifizieren – auch weil die Röntgenteleskope zu geringe Auflösungen und Sensitivität besaßen.
Fund in ungewöhnlichem Himmelsobjekt
Das aber hat sich nun geändert. Denn Astronomen um Tomasz Kaminski vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge ist es nun erstmals gelungen, zumindest eine Quelle des radioaktiven Aluminiums in unserer Milchstraße aufzuspüren. Möglich wurde dies durch die Auswertung von Beobachtungsdaten verschiedener Radioteleskope, darunter dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in Chile.
Fündig wurden die Astronomen bei einem Objekt mit ganz besonderer Geschichte. Denn der Stern CK Vulpeculae ging bereits im Jahr 1670 in die astronomischen Annalen ein, als er plötzlich extrem hell aufleuchtete. Der Astronom Hevelius beschrieb ihn deshalb sogar als „neuen Stern“. Doch dieser Stern verschwand nach zwei Jahren wieder, weshalb das Ereignis lange als Nova, als Helligkeitsausbruch eines Sterns, galt.
Erst 2015 entdeckten Astronomen, dass es sich bei dem Ausbruch von CK Vulpeculae um eine Sternenkollision statt um eine Nova gehandelt haben muss. Sie könnte sowohl das helle Aufleuchten als auch die ungewöhnliche Zusammensetzung des übriggebliebenen Rests erklären.
Strahlensignatur von radioaktivem Aluminium
In diesem ungewöhnlichen Himmelsobjekt haben Kaminski und sein Team nun die Signatur des radioaktiven Moleküls Aluminiummonofluorid (AlF) entdeckt. Sie manifestiert sich als zwei Ströme von strahlendem Material, die von einer kleinen Region im Zentrum von CK Vulpeculae ausgehen. Die von ihnen ausgehende Radiostrahlung verrät, dass dort das Isotop Aluminium-26 in ungewöhnlich hoher Konzentration präsent ist.
„Während das radioaktive Isotop 26-Al in sonnenähnlichen Objekten so gut wie abwesend ist, ist es in CK Vul nur rund sieben Mal seltener als das häufigere Isotop 17-Al“, berichten die Forscher. Ihrer Ansicht nach spricht dies dafür, dass dieses radioaktive Isotop in dem Sternenrest CK Vulpeculae produziert worden sein muss.
Quelle der Gammastrahlung?
Dies ist damit das erste Mal, dass eine Quelle von radioaktivem Aluminium identifiziert wurde – und die erste zweifelsfreie Beobachtung eines radioaktiven Moleküls im Weltraum, wie die Astronomen erklären. Sie vermuten, dass das radioaktive Aluminiumfluorid AlF in der Photosphäre des bei der stellaren Kollision zerstörten Sterns gebildet wurde.
Allerdings: Selbst diese jetzt entdeckte Quelle kann nicht komplett erklären, warum es in der Milchstraße so viel radioaktives Aluminium gibt. „Es wird geschätzt, dass alle galaktischen Quellen zusammen rund ein bis drei Sonnenmassen an 26-Al pro einer Million Jahre produzieren“, berichten die Astronomen. „Doch auf Basis unserer Schätzungen für CK Vulpeculae müsste es dann jedes Jahr rund 1.100 solcher Sternenkollisionen in der Milchstraße geben. Das ist unrealistisch.“
Denn man nimmt an, dass Sternenverschmelzungen wie bei CK Vulpeculae nur ein bis zwei Mal pro Dekade vorkommen. Selbst wenn diese Zahl stark unterschätzt ist, können solche Ereignisse wahrscheinlich nicht alles radioaktive Aluminium in der Milchstraße erklären, sagen die Forscher.
Die Fahndung läuft weiter
Es könnte demnach noch andere Quellen für radioaktives Aluminium in unserer Galaxie geben, wie Kaminski und seine Kollegen betonen. Welche das sind, bleibt aber vorerst rätselhaft. Die Astronomen hoffen aber, dass leistungsstarke Teleskop-Netzwerke wie ALMA die Fahndung nach weiteren Quellen erleichtern werden. (Nature Astronomy, 2018; doi: 10.1038/s41550-018-0541-x)
(Max-Planck-Institut für Radioastronomie, 31.07.2018 – NPO)