Doping fürs Gehirn: Eine gezielte Hirnstimulation mit schwachem Wechselstrom kann unser Langzeitgedächtnis stärken – und das im wahrsten Sinne des Wortes im Schlaf. Eine Studie zeigt: Wer nachts „unter Strom“ stand, konnte sich am nächsten Morgen offenbar genauer an Erfahrungen vom Vortag erinnern und meisterte bestimmte Aufgaben daher besser. Dies zeige, dass sich die natürliche Festigung von Erinnerungen im Schlaf mit dieser Methode optimieren lasse, so das Fazit der Forscher.
Gesunder Schlaf ist lebenswichtig – auch für das Gehirn. In der nächtlichen Ruhephase sortiert unser Denkorgan all jene Dinge, die wir tagsüber erlebt haben. Wichtige neue Erkenntnisse wie Vokabeln, Namen und Fakten werden jetzt vom Kurzzeitspeicher im Hippocampus ins Langzeitgedächtnis im Neocortex befördert.
Wie genau dieser Transfer vonstattengeht, ist noch unklar. Beobachtungen zeigen aber, dass sich die beiden Hirnbereiche im Schlaf synchronisieren und ähnliche Aktivitätsmuster zeigen. Dies scheint die Festigung von Erinnerungen zu fördern. Wissenschaftler um Nicholas Ketz von den HRL Laboratories in Malibu haben nun untersucht, ob sich dieser natürliche Prozess gezielt verstärken lässt. Könnte eine elektrische Hirnstimulation den Speichervorgang optimieren?
Test mit Suchbildern
Diese Idee ist gar nicht so abwegig. Denn immerhin ist es Forschern mithilfe von solchen transkraniellen Stromreizen bereits gelungen, Erinnerungen zu manipulieren und im Schlaf das motorische Gedächtnis zu stärken. Ob dies auch mit anderen Bereichen des Langzeitgedächtnisses klappt, testeten Ketz und seine Kollegen an 16 Probanden.
Die Teilnehmer wurden zunächst darauf trainiert, in komplexen Bildkompositionen bestimmte versteckte Objekte zu entdecken: Wie schnell würden sie bedrohliche Komponenten wie explosive Gegenstände oder einen Scharfschützen in einer Szenerie finden? Anschließend wurden sie mit Elektroden am Kopf schlafen geschickt.
Im Schlaf unter Strom
In der nächtlichen Pause stimulierten die Wissenschaftler das Gehirn der Probanden mit schwachem Wechselstrom. Dabei wählten sie die Stromreize so, dass sie dem Aktivitätsmuster langsamer Hirnwellen entsprachen, die typisch für die tiefe Schlafphase sind. In einem anderen Durchgang führten sie die Hirnstimulation nur zum Schein durch und schickten keinen Strom durch die Elektroden.
Am nächsten Morgen sollten die Probanden jeweils den Test vom Vortag wiederholen. Es zeigte sich: War ihr Gehirn in der Nacht stimuliert worden, schnitten die Teilnehmer im Vergleich besser ab. Es fiel ihnen leichter, die gesuchten Objekte in ähnlichen, aber neuen Bildern wiederzuentdecken. Ohne Stimulation veränderte sich ihre Leistung hingegen weniger stark.
Robustere Erinnerung
Dies ist für die Forscher ein deutliches Indiz dafür, dass das am Vortag Erlebte durch die Hirnstimulation als robustere Erinnerung abgespeichert wurde. „Damit eignet sich diese Methode, um das Festigen von Gedächtnisinhalten über Nacht zu fördern, ohne dabei den Schlaf zu stören“, schreibt das Team. Interessant könnte dieses nicht-invasive Verfahren vor allem auch für Patienten mit Gedächtnisstörungen und kognitiven Defiziten sein. (Journal of Neuroscience, 2018; doi: 10.1523/JNEUROSCI.0273-18.2018)
(Society for Neuroscience, 25.07.2018 – DAL)