Giftige Fracht: Beifußpollen sind für Asthmakranke und andere Allergiker doppelt ungesund. Denn mit ihnen gelangen Bakterientoxine in die Luft und Atemwege, die den Pollen noch aggressiver machen, wie eine Studie enthüllt. In der Stadt sind demnach bis zu 95 Prozent der Beifußpflanzen von entzündungsfördernden Bakterien besiedelt. Deren Giftstoffe lagern sich auf den Pollen ab und werden mit ihnen in die Luft transportiert, wie die Forscher berichten.
Die Zahl der von Asthma und Heuschnupfen geplagten Menschen nimmt immer weiter zu. Einer der Gründe dafür: Durch den Klimawandel verlängert sich die Blühperiode vieler allergieauslösender Pflanzen, zudem breiten sich auch invasive Arten wie die hochallergene Beifuß-Ambrosie dank des milderen Klimas bei uns aus. Forscher prognostizieren bereits, dass sich die Belastung durch Gräserpollen bis 2100 verdoppelt, die Pollen der Beifuß-Ambrosie könnte sich bis 2050 sogar vervierfachen. Die Zahl der Allergiefälle durch den Gemeinen Beifuß (Artemisia vulgaris) könnte sich bis 2050 immerhin verdoppeln.
Asthma durch Bakteriengifte
Eine weitere Gefahr für Allergiker haben nun Jose Oteros vom Helmholtz Zentrum München und seine Kollegen identifiziert. Für ihre Studie hatten sie fünf Jahre lang Luftproben aus München und Davos untersucht. Ihr Ziel: Sie wollten wissen, wie viele und welche bakteriellen Endotoxine die Luft enthält – und ob es einen Zusammenhang mit der Pollenbelastung der Luft gibt.
„Die von Gram-negativen Bakterien freigesetzten Endotoxine verursachen starke immunologische und entzündliche Reaktionen“, erklären die Forscher. „Wenn sie in der Luft schweben, können sie daher zu Atemwegserkrankungen wie dem allergischen Asthma beitragen.“ Wie diese giftigen Bakterienbestandteile in die Luft gelangen, war allerdings bisher unklar. Daher haben Oteros und seine Kollegen nun gezielt nach den Quellen und „Transportern“ dieser Toxine gefahndet.
Pollen mit giftiger Fracht
Das Ergebnis: Die Endotoxine schweben nicht frei in der Luft herum, sondern lagern sich auf Schwebteilchen ab. Dabei zeigen sich auffallende jahreszeitliche Schwankungen: Am stärksten war die Toxinfracht in der Zeit von Mitte Juni bis Ende August. Für die Forscher lag der Verdacht nahe, dass dies mit bestimmten Pollen in der Luft zusammenhängen könnte – möglicherwiese waren sie die Haupt-„Transporter“ für die bakteriellen Gifte.
Und tatsächlich: Die Menge an Endotoxin in der Luft nahm nur zu, wenn auch die Konzentration von Beifußpollen anstieg – unabhängig von klimatischen Veränderungen. Dieser Zusammenhang war selbst in der relativ sauberen Luft von Davos noch nachweisbar. „Wir konnten zeigen, dass die Pollen wie ein Taxi für die Bakterien und somit für ihre Toxine dienen“, berichten die Forscher. „Der von Natur aus sehr allergene Pollen des Beifußes wird dadurch noch problematischer für Allergiker und Asthmatiker.“
Gemeiner Beifuß als Endotoxin-Schleuder
Um herauszufinden, von welcher Beifußart die Endotoxine stammen und von welchem Bakterium, beprobten Oteros und seine Kollegen Beifußpflanzen und ihre Pollen aus 100 Standorten in ganz Europa. Es zeigte sich: „Die mit Abstand höchsten Konzentrationen der Endotoxine fanden wir auf Pollen des Gemeinem Beifußes“, berichten die Wissenschaftler. Hauptquelle der Bakteriengifte war die Art Pseudomonas luteola, sie kam auf 95 Prozent der untersuchten Pflanzen vor.
„Mit diesem Wissen können wir künftig und indirekt über die Pollenmessung auch eine Vorhersage darüber treffen, wann die Endotoxinbelastung in der Luft sehr hoch ist“, sagt Oteros. „Dadurch können wir Allergiker und Asthmatiker sinnvoll warnen.“
Wichtig ist dies auch deshalb, weil die Kombination von Pollen und Endotoxin erheblich schwerere Entzündungsreaktionen in den Atemwegen auslöst als das Bakteriengift oder der Pollen allein, wie Versuche mit Mäusen ergaben. (Journal of Allergy and Clinical Immunology, 2018; doi: 10.1016/j.jaci.2018.05.040)
(Technische Universität München, 19.07.2018 – NPO)