Planetare Katastrophe: Astronomen könnten erstmals einen jungen Stern dabei ertappt haben, wie er Trümmerteile eines Planeten verschluckt. Das könnte erklären, warum dieser 450 Lichtjahre entfernte Stern sich immer wieder vorübergehend abdimmt – die verbliebenen Trümmer verdecken sein Licht, wie die Forscher im „Astronomical Journal“ berichten. Die Planetenreste entstanden, als zwei Protoplaneten in Sternennähe kollidierten.
Die meisten Sterne senden ein nur wenig in seiner Intensität oder Zusammensetzung schwankendes Licht aus. Dennoch beobachten Astronomen immer wieder auch Sterne, deren Lichtemission sich regelmäßig oder unregelmäßig verändert. Bei den meisten von ihnen lässt sich dies durch vor ihnen vorüberziehende Planeten oder Partnersterne erklären. Es gibt aber einige, deren Verhalten den Astronomen bis heute Rätsel aufgeben, darunter die blauen „Pulsatoren“, der „Alien-Stern“ KIC 8462852, aber auch der Stern RW Aur A in der Konstellation Tauri-Auriga.
Rätselhafte Verdunklung
Jetzt könnten Hans Moritz Günther vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und seine Kollegen das gut 70 Jahre alte Rätsel von RW Aur A gelöst haben. Alles begann im Jahr 1937, als Astronomen erstmals ein seltsames Abdimmen dieses erst wenige Millionen Jahre alten Sterns beobachteten. Etwa einen Monat lang blieb seine Leuchtkraft reduziert, bis sie sich wieder erholte. Seither haben sich diese Abdimmphasen alle paar Jahrzehnte wiederholt.
2011 jedoch änderte sich das Verhalten dieses rund 450 Lichtjahre entfernten Sterns: Er blieb diesmal ein halbes Jahr lang verdunkelt. 2014 folgte die nächste Abdimmphase, die sogar gut zwei Jahre lang anhielt. Was aber könnte die Ursache sein? Einige Astronomen vermuteten, dass Gas und Staub im Orbit des Sterns sein Licht verdeckt, andere hielten Prozesse im Stern selbst für die Ursache.
Eisenüberschuss im Röntgenspektrum
Als sich RW Aur A im Jahr 2017 erneut zu verdunkeln begann, nutzten Günther und sein Team die Chance: Sie richteten das Röntgenteleskop Chandra auf den jungen Stern, um mehr über die Beschaffenheit des verdunkelnden Etwas zu erfahren. „Das Spektrum der Röntgenstrahlen vom Stern verändert sich, wenn es Gas in der Sternenscheibe passiert“, erklärt Günther. Das Spektrum verrät daher, ob und was die orbitale Lichtbremse ist.
Und tatsächlich: Das Röntgenspektrum verriet, dass der stellare Orbit von RW Aur A voller Gas und Staub sein muss. Zudem ist der Stern heißer als bisher gedacht. Das Seltsame jedoch: Der Stern enthält ungewöhnlich viel Eisen. „Wir sehen mindestens zehnfach mehr Eisen als in früheren Beobachtungen“, berichtet Günther. „Das ist ungewöhnlich, weil gerade heiße, aktive Sterne typischerweise eher weniger Eisen enthalten.“
Kollision eines Protoplaneten
Woher aber könnte dieses Eisen stammen? Eine Möglichkeit wäre, dass Staubkörnchen in der Akkretionsscheibe um den Jungstern aus ihrer Bahn geraten und in den Stern gestürzt sind – beispielsweise als der Partnerstern von RW Aur A diese besonders nahe kam. Doch nach Ansicht der Astronomen ist ein anderes Szenario wahrscheinlicher: Das Eisen stammt aus den Trümmern eines Protoplaneten.
Nach diesem Szenario sind zwei Planetesimale – Planetenembryos – im Orbit des Jungsterns zusammengestoßen und haben dabei eine ganze Wolke von Trümmerpartikeln hinterlassen. Weil die Planetenkerne reich an Eisen sind, sind auch viele Trümmer mit dem Metall angereichert. „Einige dieser Trümmerteilchen könnten vom Stern angezogen und in seine Corona gestürzt sein – das könnte ihren hohen Eisengehalt erklären“, so die Forscher.
Erklärung für Abdimmphasen?
Eine solche Protoplaneten-Kollision könnte auch erklären, warum sich die Abdimmphasen in den letzten Jahren verlängert und gehäuft haben: Die Kollision reicherte die „Urwolke“ um den jungen Stern mit eisenhaltigen Partikeln an, die immer dann die Strahlung schlucken, wenn dichtere Teile dieser Trümmerschwaden vor dem Stern vorüberziehen.
„Computersimulationen haben schon lange vorhergesagt, dass Planeten in junge Sterne fallen können, aber wir haben das noch nie zuvor beobachtet“, sagt Günther. „Wenn unsere Interpretation der Daten korrekt ist, dann könnte dies das erste Mal sein, dass wir direkt sehen, wie ein junger Stern Teile eines oder mehrerer Planeten verschlingt.“
Eine Bestätigung für das Kollisionsszenario könnten künftige Beobachtungen von RW Aur A liefern: Hat der Stern dann noch immer einen Eisenüberschuss, dann spricht dies für eine massive Eisenquelle in seinem Orbit – beispielsweise einen zerstörten Protoplaneten. (The Astronomical Journal, 2018; doi: 10.3847/1538-3881/aac9bd)
(Massachusetts Institute of Technology, Chandra X-ray Center,, 19.07.2018 – NPO)