Klima

Nordatlantik: Streit um die Umwälzpumpe

Studie widerspricht Lehrmeinung zur Klimawirkung der Nordatlantik-Strömung

Die nordatlantische Umwälzströmung ist ein entscheidender Akteur im Klimaystem. © Peter Hermes Furian/ iStock.com

Umstrittene Strömung: Eine neue Studie zur nordatlantischen Umwälzströmung liefert Zündstoff. Denn sie widerspricht den gängigen Theorien zur Klimawirkung dieser Strömungspumpe. Demnach ist nicht der Klimawandel an der Abschwächung dieser Umwälzpumpe schuld, sondern umgekehrt die Umwälzpumpe an der aktuellen Erwärmung des Klimas, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Dem allerdings widersprechen einige renommierte Klimaforscher vehement.

Der Nordatlantik ist eine Schlüsselregion für die globalen Meeresströmungen, aber auch für das Klima Europas. Denn hier liegt eine der großen Umwälzpumpen der Ozeane: Vor Grönland sinkt warmes, salziges Wasser in die Tiefe und strömt dann abgekühlt in der Tiefe nach Süden. An der Meeresoberfläche zieht dies warmes Wasser aus den Tropen nach.

Doch diese sogenannte Atlantische Meridionale Umwälzströmung (AMOC)schwächelt. Klimaforscher befürchten, dass die Umwälzpumpe durch den zunehmenden Einstrom von Schmelzwasser aus Grönlands Gletschern und das schwindende Meereis sogar kollabieren könnte – für Europa und auch andere Regionen brächen dann kalte Zeiten an.

Deutliche Schwankungen

Ganz anders sehen dies jedoch Xianyao Chen von der Ocean University of China und Ka-Kit Tung von der University of Washington in Seattle. In ihrer aktuellen Studie widersprechen sie der gängigen Lehrmeinung zur Umwälzpumpe und ihren Klimafolgen gleich in zweifacher Hinsicht. Sie stützen dies auf eine Rekonstruktion der vergangenen AMOC-Schwankungen, die sie auf Basis von Messdaten des nordatlantischen Salzgehalts seit 1850, sowie von Temperatur- und Salinitäts-Daten des im Jahr 2004 gestarteten ARGO-Messbojen-Programms erstellt haben.

Ihr Ergebnis: Der Rekonstruktion von Chen und Tung zufolge hat die nordatlantische Umwälzströmung seit 1940 bereits mehrere Zyklen der Abschwächung und Erholung durchlaufen. So befand sie sich von 1975 bis 1998 in einer langsamen, abgeschwächten Phase, wurde dann aber wieder stärker. Seit 2005 nimmt die Stärke der Umwälzströmung wieder ab.

Verlauf globaler Temperaturen (oben) und Stärke der nordatlanischen Umwälzströmung (AMOC) auf Basis von zwei indirekten Datenfolgen, sogenannten Proxies. © Ka-Kit Tung/ University of Washington

Alles nur natürlich – oder doch nicht?

„Die aktuelle Abschwächung könnte daher Teil des natürlichen Zyklus sein – und es gibt schon Anzeichen dafür, dass sie wieder endet“, sagt Tung. Seiner Ansicht nach ist daher nicht der Klimawandel Hauptursache der AMOC-Abschwächung, sondern der natürliche Zyklus dieser Strömungspumpe. „Die Veränderungen des AMOC seit 1940 sind besser durch die multidekadische Variabilität erklärbar als durch den anthropogenen Klimawandel“, konstatieren die Wissenschaftler.

Das sehen andere Klimaforscher allerdings nicht so. „Modellsimulationen lassen eine Überlagerung von natürlichen Schwankungen der AMOC und einen allmählichen klimatischen Abschwächungstrend der AMOC infolge der globalen Erwärmung erwarten“, sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Beobachtungsdaten zeigen dies auch für die Entwicklung seit Beginn des 20. Jahrhunderts.“

Pumpe schuld an „Klimawandel-Pause“?

Und noch eine provokante These stellen die beiden Forscher auf: Die schwächelnde Nordatlantikströmung könnte mitschuld an der aktuellen Klimaerwärmung sein. Denn wie sie erklären, transportiert die AMOC Wärme von der Meeresoberfläche in die Tiefe – und wirkt so wie ein Puffer im Klimasystem. Läuft nun diese Pumpe eher schnell, wirkt sie kühlend auf das Klima, ist sie schwach, heizt sich das Klima stärker auf.

Nach Ansicht von Chen und Tung könnte dieser Effekt der AMOC auch die vorübergehende Pause im Klimawandel erklären. „Während einer stärker werdenden Phase von Mitte der 1990er bis in die frühen 200er speicherte die AMOC etwa die Hälfte aller global überschüssigen Wärme – und trug so zur Verlangsamung der globalen Erwärmung bei“, erklären sie.

„Nicht nachvollziehbar“

Doch dem widersprechen andere Klimaforscher vehement. „Diese These ist nicht nachvollziehbar. Als Mechanismus behaupten die Autoren, die Konvektion würde in Zeiten einer starken AMOC Wärme nach unten in tiefere Wasserschichten bringen, weshalb die Oberfläche sich dann weniger erwärme. Die Konvektion transportiert jedoch stets Wärme nach oben, nicht nach unten“, sagt Rahmstorf.

Ähnlich sieht es Johann Jungclaus vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg: „Die Argumentation wäre nachvollziehbar, wenn tatsächlich die AMOC hauptsächlich dafür verantwortlich wäre, mehr oder weniger Wärme im Ozean zu ‚verstecken‘. Der Nachweis scheint mir aber nicht gegeben“, kommentiert er. Hinzu kommt, dass die vermeintliche „Klimawandel-Pause“ nach neuesten Erkenntnissen gar nicht existiert hat – sie war nur eine Folge geänderte Messmethoden.

Viele Fragen offen

„Für mich ist die Methodik der Studie fragwürdig“, kommentiert Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Insgesamt halte ich die aktuelle Studie von Chen et al. für provokativ, aber auch für sehr spekulativ.“ Jungclaus kritisiert: „Die Autoren beschreiben viele Koinzidenzen und stellen kausale Zusammenhänge her, ohne diese wirklich nachweisen zu können.“

Klar scheint: Wenn es um das komplexe Zusammenspiel von Ozeanen und Klima geht, sind längst nicht alle Fragen geklärt. Messdaten können bisher nur einen Teil dieses Wechselspiels erfassen und auch über die Mechanismen herrscht ganz offensichtlich keine Einigkeit. Hier bleibt demnach noch viel Raum für weitere Forschungen. (Nature, 2018; doi: 10.1038/s41586-018-0320-y)

(SMC, Nature, University of Washington, 19.07.2018 – NPO)

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