Genetik

Brustkrebs: Chaos im Erbgut

Forscher identifizieren 20.000 Gen-Veränderungen bei aggressiver Krebsform

Schädliche DNA-Veränderungen begünstigen die Entstehung von Krebszellen. © CIPhotos/ iStock.com

Blick ins Krebs-Genom: Forscher haben das Erbgut einer besonders aggressiven Brustkrebsform analysiert – und dabei 20.000 strukturelle Veränderungen an der DNA entdeckt. Ihre Analyse offenbart, wie komplex die Erbgut-Schädigungen bei dieser Tumorform sind und welch ein Chaos sie in den betroffenen Zellen anrichten. Überhaupt erst möglich gemacht hat den detaillierten Blick auf das Krebs-Genom ein neuartiges Sequenzierungsverfahren, wie das Team berichtet.

Krebs gilt als eine Krankheit der Gene. Kommt es im Laufe des Lebens zu Schäden am Erbgut und können diese nicht von der Zelle repariert werden, entstehen bleibende Genmutationen. Solche Veränderungen der DNA fördern mitunter ein unkontrolliertes Wachstum von Zellen – und damit die Entstehung von Tumoren. Mediziner kennen inzwischen hunderte Gene, die im Falle einer Mutation Krebs begünstigen können.

20.000 Veränderungen

Die bei einer besonders aggressiven Form von Brustkrebs im Genom auftretenden Veränderungen haben sich nun Maria Nattestad von der Johns Hopkins University in Baltimore und ihre Kollegen genauer angesehen: Beim sogenannten HER2-positiven Brustkrebs bilden die Krebszellen übermäßig viele HER2-Proteine auf ihrer Oberfläche, wichtige Andockstellen für Wachstumsfaktoren. Dies ist bei rund 20 Prozent aller Brustkrebspatientinnen der Fall und führt dazu, dass der Tumor schneller wächst.

Für ihre Studie analysierten die Wissenschaftler HER2-positive Zelllinien mithilfe eines neuartigen Sequenzierungsverfahrens, der sogenannten Long-read-Sequenzierung. Dabei identifizierten sie 20.000 strukturelle Veränderungen der DNA, die beim aggressiven Brustkrebs auftreten – ein Rekord. „Die meisten dieser Variationen waren bisher nicht bekannt“, berichtet Nattestad. Erst dank der neuen Methode sei das wahre Ausmaß des Chaos im Krebs-Erbgut sichtbar geworden.

Tausendfach kopiert

Unter anderem deckte die Analyse eine Vielzahl von DNA-Veränderungen rund um das HER2-Gen auf. Es zeigte sich: Bestimmte Bereiche dieses übermäßig aktiven Gens auf Chromosom 17 brechen ab und verschmelzen mit Chromosom 8. Auf diesem Chromosom werden die Genbruchstücke dann bis zu tausendmal kopiert – mit fatalen Folgen. „Dies macht deutlich, warum wir HER2-positive Patienten so früh wie möglich identifizieren müssen. Nur so können wir unter Umständen verhindern, dass sich der Schaden kumuliert“, schreibt das Forscherteam.

Wie sie betonen, ist es für die Therapie von enormer Bedeutung, so viel wie möglich über unterschiedliche Krebszellarten und deren Erbgut zu erfahren. „Die Long-read-Sequenzierung ist ein unschätzbar wertvolles Werkezeug, um die Komplexität der strukturellen Gen-Veränderungen bei Krebs zu erfassen“, schließen sie. (Genome Research, 2018; doi: 10.1101/gr.231100.117)

(Cold Spring Harbor Laboratory, 16.07.2018 – DAL)

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