Medizin

Höheres Infarkt-Risiko durch Migräne?

Migräne-Patienten scheinen anfälliger für Gefäßerkrankungen zu sein

Migräne verursacht wiederkehrende Kopfschmerzattacken. © Choreograph/ iStock.com

Erhöhtes Risiko: Menschen mit Migräne erkranken häufiger an Herzinfarkten, Schlaganfällen und Thrombosen. Zu diesem Ergebnis kommen nun gleich zwei große Studien. Demnach ist das Risiko für solche Gefäßerkrankungen bei den Patienten etwas höher als bei gesunden Kontrollpersonen – im Vergleich besonders stark scheint der Effekt bei Migräne mit Aura zu sein. Grund zur Sorge bestehe aufgrund dieser Ergebnisse zwar nicht, betonen Experten. Behandelnde Ärzte sollten sich des Risikos aber zumindest bewusst sein.

Rund ein Fünftel aller Frauen und acht Prozent aller Männer leiden unter Migräne. Sucht die Betroffenen eine Attacke heim, löst sie innerhalb von Minuten ein wahres Gewitter im Kopf aus: Lähmende Kopfschmerzen und Übelkeit machen ein Funktionieren im Alltag häufig so gut wie unmöglich. Linderung verschaffen oft nur Ruhe und ein abgedunkelter Raum oder spezielle Medikamente.

Klar ist: Die Kopfschmerzerkrankung kann die Lebensqualität der Patienten erheblich einschränken. Doch erhöht sie auch das Risiko für andere Leiden? In jüngster Zeit schienen mehrere Untersuchungen darauf hinzudeuten, dass Menschen mit Migräne etwas häufiger Herzinfarkte, Schlaganfälle und Thrombosen erleiden. Nun haben gleich zwei große Studien diesen vermeintlichen Zusammenhang genauer unter die Lupe genommen – mit eindeutigem Ergebnis.

Mehr Schlaganfälle und Co

Ahmed Mahmoud von der University of Florida in Gainesville und seine Kollegen werteten für ihre Meta-Analyse die Daten von 16 Studien mit insgesamt rund 400.000 Migräne-Patienten und 750.000 gesunden Probanden als Kontrolle aus. Dabei zeigte sich: Das Risiko für Gefäßerkrankungen scheint bei Betroffenen tatsächlich erhöht zu sein.

Konkret ergab die Auswertung: Betrachtet man alle vaskulären Ereignisse – vom Schlaganfall bis zum Herzinfarkt – zusammen, dann war das Risiko der Patienten um 42 Prozent erhöht. Für Schlaganfälle allein ergab die Analyse ein um 41 Prozent und für Herzinfarkte ein um 23 Prozent erhöhtes Risiko. Dabei war das Risiko unter den unterschiedlichen Formen der Migräne ungleich verteilt: Jenes Drittel der Patienten, die bei ihren Anfällen eine Aura erleben – das sind Sehstörungen wie flimmernde Blitze oder Gesichtsfeldausfälle –, hatte zum Beispiel ein um 56 Prozent höheres Risiko für Schlaganfälle.

Risikofaktor Aura

Auch in Sachen Sterblichkeit zeigte sich ein Unterschied, wie die Wissenschaftler berichten. Demnach war die Sterblichkeit an Krankheiten aller Art bei den Migräne-Patienten insgesamt nicht höher als bei den Kontrollpersonen. Für die Migräne mit Aura galt dies allerdings nicht: Die Gesamtsterblichkeit dieser Patienten war um 20 Prozent erhöht.

Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie aus Dänemark, für die Forscher um Kasper Adelborg vom Universitätsklinikum in Aarhus die Daten aller mehr als 50.000 Patienten im Land über einen Zeitraum von bis zu 19 Jahren mit denen von 500.000 Kontrollprobanden verglichen. Doch was bedeuten diese Erkenntnisse nun konkret für Migräne-Patienten?

Kein Grund zur Panik

Zunächst einmal: keinen Grund zur Panik. „Von dem erhöhten Risiko sollten Patienten sich nicht verängstigen lassen, denn die absolute Zahl der Ereignisse ist relativ gering“, betont Hans-Christoph Diener von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. „Ärzte, die Migräne-Patienten behandeln, sollten sich des Risikos aber bewusst sein.“

Der Experte rät, insbesondere Betroffene mit Aura und darunter vor allem Frauen genauer im Blick zu behalten. Diese Gruppe von Patienten sollte ihm zufolge nach ihren vaskulären Risikofaktoren befragt und gegebenenfalls proaktiv behandelt werden: „Von besonderer Bedeutung sind hier das Rauchen und die orale hormonelle Kontrazeption.“

Was bringt die Behandlung?

Unklar ist bisher, wie das erhöhte Risiko zustande kommt – und ob eine konsequente Behandlung der Migräne auch die Wahrscheinlichkeit für vaskuläre Ereignisse senken kann. Um dies nachzuweisen, brauche es weitere Langzeitstudien, schließt Charly Gaul von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. (BMJ Open, 2018; doi: 10.1136/bmjopen-2017-020498)

(Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V., 04.07.2018 – DAL)

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