Überraschende Entdeckung: Der Golfstrom ist nicht nur die Fernheizung des Nordatlantiks, er versorgt ihn auch mit Eisen – einem wichtigen Algendünger. Entscheidend für diesen zuvor unbekannten Transport sind Strömungsringe, die sich vor der US-Küste vom Golfstrom abschnüren, wie Forscher entdeckt haben. Diese Ringe schließen kaltes, eisenreiches Wasser vom Kontinentalhang ein und bringen es ins offene Meer hinaus, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.
Für die meisten Algen im Ozean ist Eisen ein essenzielles und limitierendes Spurenelement. Herrscht Eisenmangel im Wasser, hemmt dies auch die Phytoplanktonblüte – und damit die Aufnahme und Bindung von Kohlendioxid aus der Luft. Unter anderen deshalb gab es erste Versuche, das Südpolarmeer mit Eisen zu düngen – allerdings mit eher geringem Erfolg.
Rätsel der Eisenversorgung
Doch woher bekommt beispielsweise der Nordatlantik sein Eisen? „Lange nahm man an, dass Staub aus der nahen Sahara genügend Eisen für das Phytoplankton liefert“, erklären Tim Conway von der ETH Zürich und seine Kollegen. Tatsächlich wehen die häufigen Staubstürme große Mengen an Eisen ins Meer. Aber längst nicht alles davon löst sich auch im Wasser, Forscher gehen von nur einem bis fünf Prozent aus.
Jetzt sind Conway und seine Kollegen durch Zufall auf eine weitere, zuvor unentdeckte Eisenquelle des Nordatlantiks gestoßen: den Golfstrom. Diese Strömung warmen Wassers zieht sich von der Karibik bis in den Nordatlantik hinein und beginnt durch Kontakt mit der US-Ostküste, Turbulenzen und Strömungsringe zu bilden. „Diese Ringe entstehen, wenn ein Golfstrom-Mäander so groß wird, dass er eine Schleife bildet, die sich vom Hauptstrom abschnürt“, erklären die Forscher.
Zufallsfund in Strömungsringen
Das Besondere daran: In diesen Strömungsringen wird kühleres Wasser eingeschlossen, das vom Kontinentalhang Nordamerikas in den Ozean strömt. Die Ringe bilden bis zu 1.000 Meter tiefe und 200 Kilometer breite Kaltwassersäulen, die sogar auf Satellitenbildern erkennbar sind: „Da ihr Wasser dichter ist als das des umgebenden Meeres, bilden die Ringe Senken, die bis zu einem Meter tiefer liegen als die restliche Meeresoberfläche“, erklärt Conways Kollege Gregory de Souza.
Was diese Strömungsringe noch transportieren, haben die Forscher nun durch Zufall entdeckt. Sie hatten aus Neugier öffentlich zugängige Messdaten gesichtet, die ein Forschungsschiff bei einer Fahrt quer durch den Golfstrom gesammelt hatte. Dabei fielen ihnen punktuell erhöhte Eisenwerte im Ozeanwasser auf: Immer, wenn die Messwerte aus dem Inneren eines Strömungsrings stammten, waren die Eisenwerte zwischen 25 und 60 Prozent höher als außerhalb.
Eingefangenes Küstenwasser als Eisenlieferant
Woher aber stammt dieses Eisen? Weil das kalte Wasser in den Strömungsringen vom Kontinentalhang Nordamerikas stammt, liegt dort wahrscheinlich die Eisenquelle, wie die Forscher erklären. Denn es ist bekannt, dass das Sediment am Hang mit Eisen angereichert ist, das sich dann teilweise im Meerwasser löst. Wenn dann ein Strömungsring des Golfstroms dieses kalte, eisenreiche Wasser „einfängt“, kann er es bis weit in den Nordatlantik hinaus transportieren.
Das aber bedeutet: Neben dem Saharastaub sorgen auch diese Strömungswirbel für Eisennachschub im Nordatlantik. Aber wie viel? Wie viel Eisen auf diese Weise von der Küste ins offene Meer gelangt, haben Conway und seine Kollegen durch Hochrechnung ermittelt: Ihre Messwerte verrieten ihnen, wie viel Eisen in einem dieser Ringe steckte, dann zählten sie anhand von Satellitenbildern aus, wie viele Strömungsringe sich pro Jahr vom Golfstrom abkoppelten.
Verborgene Eisenquelle
Das Ergebnis: Im Schnitt bilden sich jährlich sieben bis acht solcher Ringe – und jeder von ihnen enthält 0,3 Nanomol Eisen pro Kilogramm Wasser. „Wir schätzen, dass diese Kaltwasserringe damit einen Nettoeinstrom von 30 Millionen Mol Eisen pro Jahr in den Nordatlantikwirbel transportieren“, berichten Conway und seine Kollegen. Zusätzlich zum Eisen liefern die Ringe zudem Phosphor – ebenfalls einen wichtigen Algennährstoff.
„Der Eintrag von Eisen durch die Kaltwasserringe ist damit eine wichtige Eisenquelle für den Nordtlantik, konstatieren die Forscher. Ihren Angaben nach könnte dieser Eintrag sogar in der gleichen Größenordnung liegen wie derjenige aus Saharastaub und bis zu 75 Prozent der Saharastaublieferung ausmachen, genauere Werte sind allerdings noch nicht bekannt.
„Wir benötigen räumlich höher aufgelöste Daten, um damit den Eiseneintrag aus den Ringen genauer berechnen zu können – und ein besseres Verständnis davon, welche Parameter die Löslichkeit von Staubeisen bestimmen“, erklärt de Souza. (Nature Geoscience, 2018; doi: 10.1038/s41561-018-0162-0)
(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, 04.07.2018 – NPO)