Evolution

Tetrapoden: Landgang aus dem Brackwasser?

Isotopenwerte widerlegen Süßwasser als Ursprung der ersten Landwirbeltiere

Woher kamen die Vorgänger der ersten Landwirbeltiere? © Mazan (http://www.mazanonline.fr)

Überraschend anders: Als die ersten Wirbeltiere das Land eroberten, robbten sie nicht aus dem Süßwasser an Land. Stattdessen lebten die Vorfahren aller heutigen Landwirbeltiere offenbar im brackigen Wasser von Flussmündungen, wie nun Isotopenanalyen von Fossilien belegen. Demnach war die Umwelt dieser Ur-Tetrapoden durch stark wechselnde Salzgehalte geprägt. Das widerlegt die bisher gängige Annahme zum Ursprung der Tetrapoden, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“.

Es war ein echter Meilenstein der Evolution: Vor rund 395 Millionen Jahren begannen die ersten Wirbeltiere die Landmassen der Erde zu besiedeln – und eroberten damit einen ganz neuen Lebensraum. Diese ersten Tetrapoden waren vermutlich noch eher fischähnlich, besaßen aber bereits Lungen und kräftige, beinähnliche Flossen.

Woher kamen die Ur-Tetrapoden

Doch ob diese Pioniere des Landgangs einst aus dem Meer oder aus dem Süßwasser an Land gingen, war bisher strittig. Der Grund: Bisher wurden die meisten Fossilien dieser frühen Landwirbeltiere im sogenannten Old-Red-Sandstein gefunden – einem Sedimentgestein, das gängiger Annahme nach in Süßwasserseen und Tümpeln abgelagert wurde. Aber inzwischen haben Paläontologen einige Fossilien und prähistorische Fußabdrücke entdeckt, die eher für einen marinen Ursprung sprechen.

Das Problem: Bisher fehlte es an eindeutigen Markern, an denen sich die Herkunft der frühen Tetrapoden ablesen ließe. Nun jedoch haben Jean Goedert von der Universität Lyon und seine Kollegen einen solchen Marker gefunden. Dabei handelt es sich um das Schwefel-34-Isotop, eine Schwefelvariante, die sich in Knochen von marinen Lebewesen einlagert und Rückschlüsse auf den Salzgehalt ihrer Umgebung erlaubt.

Typischerweise ist der Schwefel-34-Wert bei Meerestieren höher als bei im Süßwasser lebenden Organismen. „Diese Isotope eignen sich daher besonders gut, um aufzuzeigen, ob ein Tier in Süßwasser oder mariner Umgebung lebte“, so die Wissenschaftler. Sie haben diesen Wert nun bei 51 verschiedenen rund 365 Millionen Jahre alten Tetrapodenfossilien aus Grönland und China untersucht.

Die ersten Landwirbeltiere entwickelten sich aus fischähnlichen Wesen wie dem Tiktaalik roseae. © Zina Deretsky/ National Science Foundation

Eher salzig als süß

Das Ergebnis: Entgegen bisheriger Annahme kamen die Vorfahren aller offenbar nicht aus Süßwasser-Seen oder Tümpeln. Denn in den fossilen Knochen fanden die Forscher Isotopenwerte, die eher auf eine marine Umwelt hindeuteten. Die Fossilien enthielten zwischen 12,5 bis 13,8 Promille Schwefel-34. „Diese Werte liegen sehr nahe an denen, die für das Meerwasser des späten Devon angenommen werden“, erklären Goedert und seine Kollegen.

Allerdings: Eine ergänzende Analyse von Sauerstoff-Isotopen in den fossilen Knochen grenzt den möglichen Lebensraum der Ur-Tetrapoden stark ein. Demnach müssen sie in einer Umwelt mit stark und schnell schwankenden Salzgehalten gelebt haben. „Die kombinierten Isotopenmessungen zeigen, dass die frühen Tetrapoden euryhalin waren und aquatische Übergangs-Lebensräume bewohnten“, so die Forscher.

Landgang aus dem brackigen Flussdelta

Konkret bedeutet dies: Unsere vierbeinigen Ururahnen robbten weder aus einem Süßwassertümpel noch aus dem Meer ans Ufer. Stattdessen war ihr ursprünglicher Lebensraum wahrscheinlich das brackige Wasser eines Flussdeltas oder Ästuars. Durch den Einstrom von mal mehr, mal weniger Meerwasser mussten die Ur-Tetrapoden dort mit ständig wechselnden Salzgehalten klarkommen.

Möglicherweise war die Anpassung an diese schwierige Umwelt sogar für ihren Landgang hilfreich, mutmaßen die Forscher: „Die Euryhalinität könnte es den frühen Tetrapoden erleichtert haben, die zahlreichen biotischen Krisen zu überstehen, die am Ende des Devon eintraten“, erklären Goedert und seine Kollegen. „Später dann ermöglichte dies ihnen, auch terrestrische Habitate zu kolonialisieren.“ (Nature, 2018; doi: 10.1038/s41586-018-0159-2)

(Nature, 31.05.2018 – NPO)

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