Ernährungsumstellung: Bienen stammen von fleischfressenden Wespen ab. Doch wie konnte es passieren, dass aus einem räuberischen Insekt ein vegetarisch lebendes Tier entstand? Genetische Analysen zeigen: Die Nahrung selbst könnte verantwortlich gewesen sein. Demnach gehen heutige Bienen auf Ahnen einer Gruppe von Grabwespen zurück – Tiere, die ihre Larven mit blütenbesuchenden Insekten füttern. Mit der Beute könnte somit einst auch Pollen ins Nest gelangt sein und die Bienenvorfahren auf den Geschmack gebracht haben.
Bienen unterscheiden sich nicht nur optisch deutlich von den mit ihnen verwandten Wespen – sondern auch in Sachen Ernährung. Während Wild- und Honigbienen in der Regel von Pflanzennektar und Pollen leben, ernähren sich Wespen alles andere als vegetarisch. Sie machen auch Jagd auf tierische Beute und füttern ihre Larven sogar hauptsächlich mit Fleisch von toten oder erbeuteten Tieren.
Trotz der verschiedenen kulinarischen Vorlieben gehen Wissenschaftler davon aus, dass der gemeinsame Vorfahre aller 20.000 heute lebenden Bienenarten zu den Wespen gehörte. Doch wie konnte aus einem fleischfressenden Insekt ein Pollensammler und Nektarsauger werden? Dieser Frage sind Manuela Sann vom Museum für Naturkunde in Berlin und ihre Kollegen nun mithilfe genetischer Analysen nachgegangen.
Grabwespen als nächste Verwandte
Die Forscher untersuchten insgesamt 195 Gene von mehr als 180 Wespen- und Bienenarten, um mehr über den evolutiven Ursprung der Bienen und ihren Wespenverwandten zu erfahren. Dabei erstellten sie auf Grundlage ihrer Ergebnisse einen detaillierten Stammbaum. Dieser zeigt: Die nächsten Verwandten der Bienen gehören offenbar zu einer Gruppe von Grabwespen mit dem wissenschaftlichen Namen Ammoplanidae.
Diese nur wenige Millimeter großen Insekten jagen als Nahrung für ihre Larven sogenannte Thripsen – Gewittertierchen, die Blüten besuchen und Pollen fressen. Es ist daher wahrscheinlich, dass mit den Thripsen auch an den Tieren haftender Pollen ins Wespennest gelangt und von den Larven mitgefressen wird.
Auf den Pollen gekommen
Genau dieser Umstand könnte vor Millionen von Jahren der entscheidende Faktor gewesen sein, wie das Team vermutet. Demnach kamen die Verwandten der heutigen Ammoplanidae damals durch den zufälligen Kontakt mit den Pollen auf den Geschmack. Damit war der erste Schritt hin zur vegetarischen Ernährung und somit zur Entstehung der Bienen gemacht.
Die Umstellung auf eine rein vegetarische, pollen- und nektarfressende Lebensweise eröffnete den frühen Bienen nicht nur neue Lebensräume, sondern auch einen entscheidenden Vorteil bei der Nahrungssuche. Denn Pollen ist nahrhaft und lässt sich im Gegensatz zu lebendigen und wehrhaften Tieren leichter „erbeuten“.
Vegetarisch – mit Ausnahmen
Frühere Fossilfunde scheinen die neue Erkenntnis des Teams zu stützen. So ähneln die ältesten bekannten Bienen aus kreidezeitlichem Bernstein in ihrer Körpergröße den Grabwespen der Ammoplanidae. Für die Wissenschaftler ist damit klar, dass sich heutige Bienen einst tatsächlich aus den räuberischen Ahnen der Grabwespen entwickelten.
Nachdem die Bienen einmal auf den Pollen gekommen waren, blieben sie vorwiegend Vegetarier. Doch es gibt einige Ausnahmen. So legen manche parasitäre Arten ihre Eier in fremde Brutzellen, wenn die Nestbauerin gerade auf Pollensuche ist. Diese sogenannten Kuckucksbienen nutzen dann teilweise auch die fremden Eier oder Larven im Nest als Futtervorräte. (BMC Evolutionary Biology , 2018; doi: 10.1186/s12862-018-1155-8)
(Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung, 25.05.2018 – DAL)