Medizin

Chinesische Arzneipflanze stört Herzrhythmus

In der chinesischen Medizin oft eingesetzte Pflanze enthält gleich zwei herzschädliche Stoffe

Präparat aus getrockneter Evodia: Diese Arzneipflanze enthält zwei herzschädliche Inhaltsstoffe. © marilyna/ iStock.com

Mediziner warnen: Eine in der traditionellen chinesischen Medizin oft verwendete Arzneipflanze kann schwere Herzrhythmusstörungen auslösen – und im Extremfall sogar zum plötzlichen Herztod führen. Der Grund: Zwei Inhaltsstoffe der Pflanze Evodia rutaecarpa hemmen Kaliumkanäle im Herzmuskel, wie die Forscher herausgefunden haben. Bei der Einnahme von Tees und anderen Kräuterzubereitungen mit Evodia sei daher Vorsicht geboten.

Pflanzenmedizin gilt landläufig als heilsam, aber ungefährlich. Tees und Heilkräuter aus der Apotheke der Natur lindern Beschwerden auf sanfte Weise und ohne Nebenwirkungen, so glauben viele. Doch diese Annahme trügt. Denn auch Arzneipflanzen können giftige und krankmachende Inhaltsstoffe enthalten. So enthält Aloe vera beispielsweise krebserregende Substanzen und auch die in der chinesischen Medizin beliebte Pfeifenblume kann Tumore fördern.

Hemmstoffe für den Herzmuskel

Eine weitere Arzneipflanze mit verstecktem Risiko haben nun Igor Baburin von der Universität Wien und seine Kollegen identifiziert. Für ihre Studie hatten sie die Wirkung von Extrakten der Pflanze Evodia rutaecarpa untersucht. Sie wird traditionellen chinesischen Medizin (TCM) bei vielfältigen Beschwerden eingesetzt, unter anderem gegen Kopfschmerzen, bei Magen-Darmbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen, menstruelle Beschwerden und gegen Geschwüre im Mundbereich.

Doch nun zeigt sich: Diese Heilpflanze enthält gleich zwei Inhaltsstoffe, die schwere Herzrhythmusstörungen auslösen können. Die Naturstoffe Dehydroevodiamin (DHE) und Hortiamin erwiesen sich im Test als sehr potente Hemmstoffe von Kaliumkanälen im Herzmuskel, sogenannten HERG-Kanälen. „Werden HERG-Kanäle blockiert, verändern sich die Erregungsabläufe im Herzmuskel, was schwere Arrhythmien – sogenannte Torsade de pointes (TdP) – und Kammerflimmern auslösen und zum plötzlichen Herztod führen kann“, erklärt Steffen Hering von der Universität Wien.

Typisches EKG bei einer Torsade de pointes -Herzrhythmusstörung © Panthro/ gemeinfrei

Wirkung schon in geringer Konzentration

Weiterführende Untersuchungen unter anderem mit Hunden ergaben, dass die beiden Naturstoffe bereits in sehr geringen Konzentrationen Oszillationen des Membranpotentials verursachen und so Herzrhythmusstörungen auslösen können. „Der plötzliche Herztod kann dann bereits innerhalb von zehn Minuten nach dem Beginn der TdP-Arrhythmie eintreten“, sagt Hering. „Die auslösende Herzrhythmusstörung ist nur mit Hilfe eines EKG feststellbar und natürlich auch nur dann, wenn der/die Patientin die Klinik noch lebend erreicht.“

Weil TCM-Produkte weniger strengen Kontrollen unterworfen sind als normale Medikamente und meist ohne Zulassung auf den Markt gelangen, könnte dies für Patienten eine noch unerkannte Gefahr bedeuten. „Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass diese Substanzen beispielsweise in einen Tee aus Evodiafrüchten gelangen“, sagt Hering. „Dies wäre mit einem erheblichen Risiko für die Patienten verbunden.“

Gehalt in Tees noch unklar

Noch ist allerdings unklar, wie hoch die Konzentration dieser potenziell gefährlichen Substanzen in Tees und Kräuterzubereitungen ist. „In welchem Ausmaß diese Substanzen in eine Teezubereitung gelangen, wird derzeit untersucht“, so Hering. „Sollten DHE und Hortiamin nachgewiesen werden, ist die Sicherheit von Evodia-Präparaten neu zu bewerten. Auf den Erfahrungsschatz der TCM zu Evodia können wir uns keinesfalls verlassen.“

Die Wissenschaftler mahnen daher vorerst zu erhöhter Wachsamkeit bezüglich möglicher arrhythmogener Wirkungen von Evodia-Präparaten. Patienten mit Herzerkrankungen sollten solche Mittel zur Vorsicht gar nicht einnehmen. Wer Produkte aus dieser Arzneipflanze nutzt, sollte beim Arzt ein EKG machen lassen, um mögliche Rhythmusstörungen auszuschließen. (Pharmacological Research, 2018; doi: 10.1016/j.phrs.2018.02.024)

(Universität Wien, 03.05.2018 – NPO)

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