Molekulare Schlüssel: Forscher haben ein Codesystem entwickelt, das geheime Informationen in organischen Molekülen transportiert. Die Code-Moleküle können auf Papier, in Kaffee und sogar Blut transportiert werden. Das neue System könnte bei der Entschlüsselung von Geheimdienstinformationen behilflich sein, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.
Nicht nur Geheimagenten wissen: Im digitalen Zeitalter ist der Schutz sensibler Informationen enorm wichtig. Viele Daten werden daher verschlüsselt losgeschickt. Anschließend müssen die Daten aber wieder entschlüsselt werden, wozu meist ein Passwort gebraucht wird – die Schwachstelle jeder sicheren Nachricht. Denn ein schlechtes Passwort kann erraten oder errechnet werden und dient Codeknackern als Eintrittspforte.
Um ihre Nachrichten vor neugierigen Augen zu schützen, benutzen Geheimniskrämer schon seit Jahrhunderten chemische Tricks: Geheimtinten. Wissenschaftler haben sich seitdem immer raffiniertere Verfahren einfallen lassen. So haben sie Hightech-Tinten entwickelt, die selbstauslöschend sind oder nur mit Fluoreszenzlicht wieder entschlüsselt werden können. Selbst in DNA-Molekülen haben Forscher schon Informationen versteckt.
Organisches Molekül enthält alphanumerischen Code
Andreas Boukis vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und seine Kollegen haben nun Chemie und Verschlüsselungstechnik kombiniert, um Passwörter noch sicherer zu machen: Sie verbargen die sensiblen Informationen für das Passwort in kleinen organischen Molekülen. Die einzelnen Bausteine und Seitenketten des Moleküls bekamen jeweils einen Buchstaben oder eine Ziffer zugewiesen und ergeben in ihrer Reihenfolge und Anordnung den gewollten Code.
Dabei war die Synthese des chemischen Schlüssels verhältnismäßig einfach: In einem einzigen Schritt synthetisierten die Wissenschaftler aus vier chemischen Grundbausteinen ein zuvor definiertes Molekül. In ihrer Molekülbibliothek besitzen die Forscher dafür 130 verschiedene Bausteine, die sich zu 500.000 einzigartigen chemischen Schlüsseln kombinieren lassen. Bei Bedarf könnte diese Bibliothek sogar noch beliebig erweitert werden, so die Forscher.
Chemischer Schlüssel in Blut transportierbar
Doch wie lassen sich mit diesen Molekülen nun Botschaften versenden? Der Absender verschickt die verschlüsselte Nachricht beispielsweise in Form eines Briefs. Das in Methanol gelöste Code-Molekül tröpfelt er vorher auf den Briefumschlag, es enthält das Passwort für die Entschlüsselung des Briefinhaltes. Der Empfänger löst den Umschlag in einem organischen Lösungsmittel auf, isoliert das Code-Molekül aus dem Gemisch und identifiziert es mittels Massenspektrometrie. Nun hält er den Schlüssel für die Dechiffrierung in der Hand.
Aber wie isoliert der Empfänger das Molekül aus dem Papier? Dafür haben die Forscher eine Art Angelhaken in das Molekül eingebaut: Perfluorcarbonsäure. Diese Verbindung reagiert höchst ungern mit wässrigen und fetthaltigen Medien, sondern bindet stattdessen nur an andere Perfluoride. So lassen sich auch kleinste Mengen des Moleküls gezielt aus dem Gemisch herausziehen.
„Wir können mit geringsten Mengen arbeiten und finden diese auch in Materialien, bei denen man mit anderen chemischen Verbindungen, etwa DNA-Molekülen, nicht weit kommt“, sagt Boukis. So gelang es den Wissenschaftlern, die chemischen Schlüssel nicht nur zuverlässig aus Papier, sondern auch aus Parfüm, Instantkaffee, grünem Tee, Zucker oder sogar Schweineblut zu isolieren.
Nur etwas für Profis
Außer Geheimagenten sollten auch Normalbürger ihre Identität und Daten schützen können. Könnte das neue Passwort-System also bald für jeden erhältlich sein? „Das Verfahren eignet sich natürlich nur für Anwendungen, die eine sehr hohe Sicherheitsstufe benötigen und damit auch einen gewissen Aufwand rechtfertigen, etwa für die Übermittlung von Geheimdienstinformationen oder bei der Kommunikation in Botschaften“, sagt Michael Meier vom KIT. Wir werden uns unsere Passwörter also noch auf die klassische Art merken müssen.
„Die Idee, Informationen über geheime Kanäle zu schicken, ist nicht neu. Unser Verfahren zeichnet aber aus, dass wir einen besonders robusten geheimen Kanal zur Verfügung stellen, welcher mit minimalen Mengen an Schlüsselmolekül auskommt“, fasst Dennis Hofheinz vom KIT die Vorteile der chemischen Passwörter zusammen. (Nature Communications, 2018; doi: 10.1038/s41467-018-03784-x)
(Karlsruher Institut für Technologie, 23.04.2018 – YBR)