Genetik

Lernfähig dank aktiver Eltern?

Körperliche und geistige Aktivität wirkt sich positiv auf die Nachkommen aus

Epigenetische Veränderungen können das Ablesen von Genen beeinflussen. © Christoph Bock, MPI für Informatik/ CC-by-sa 3.0

Erworben und weitergegeben: Körperliche und geistige Aktivität sind nicht nur gut für das eigene Gehirn. Sie können auch die Lernfähigkeit späterer Nachkommen positiv beeinflussen – zumindest bei Mäusen, wie eine Studie zeigt. Demnach wird diese Form der epigenetischen Vererbung durch bestimmte RNA-Moleküle vermittelt. Sie beeinflussen die Genaktivität und reichern sich nach körperlicher und geistiger Aktivität nicht nur im Gehirn, sondern auch in den Keimzellen an.

Erworbene Eigenschaften ändern nicht die DNA-Sequenz und können folglich nicht an die Nachkommen weitergegeben werden: So lautete lange Zeit das Dogma der Genetik. In den letzten Jahren hat sich jedoch zunehmend gezeigt, dass diese Annahme nicht stimmt. So erhöht beispielsweise eine schlechte Ernährung das Krankheitsrisiko – nicht nur das eigene, sondern das des Nachwuchses ebenfalls.

Auch Lebensumstände wie Stress oder Traumata können sich auf die nächste Generation auswirken. Wissenschaftler nennen dieses Phänomen epigenetische Vererbung. Dabei beeinflussen bestimmte Modifikationen der DNA, wie Gene abgelesen werden.

Vererbte Lernfähigkeit?

André Fischer vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Göttingen und seine Kollegen haben nun untersucht, ob sich über solche Mechanismen auch die Lernfähigkeit an die Nachkommen weitergeben lässt. Zu diesem Zweck setzten sie Mäuse einer stimulierenden Umgebung aus, in der sie viel Bewegung hatten. Schließlich ist bekannt: Geistige und körperliche Aktivität verbessern die kognitiven Fähigkeiten und mindern das Risiko für Erkrankungen wie Alzheimer.

Wie würde sich dies auf den späteren Mäuse-Nachwuchs auswirken? Tatsächlich zeigte sich: Die Nager profitierten offenbar von den stimulierenden Lebensumständen, in denen ihre Eltern gelebt hatten. So schnitten sie im Vergleich zu Nachwuchs einer Kontrollgruppe in Tests zur Lernfähigkeit besser ab, wie die Forscher berichten.

Synaptische Plastizität verbessert

Darüber hinaus war bei ihnen die sogenannte synaptische Plastizität im Hippocampus verbessert, einer für Lernen und Gedächtnis wichtigen Region des Gehirns. Die synaptische Plastizität ist die Fähigkeit von Nervenzellen, sich flexibel an neue Anforderungen anzupassen und gut miteinander zu kommunizieren. Damit stellt sie die zelluläre Grundlage für das Lernen dar.

Doch über welche Prozesse wurde die erworbene Lernfähigkeit von den Eltern auf die Nachkommen übertragen? Eine Antwort auf diese Frage suchte das Team in den Spermien der Väter. Spermien enthalten neben der väterlichen DNA – dem Molekül, in dem die Erbanlagen gespeichert sind – auch sogenannte RNA-Moleküle. In Experimenten überprüften die Wissenschaftler daher, welche Rolle diese RNA-Moleküle möglicherweise bei der Übertragung der Lernfähigkeit spielen.

RNA beeinflusst Genaktivität

Dazu extrahierten sie RNA aus Spermien von Mäusen, die körperlich und geistig aktiv waren. Diese injizierten sie in befruchtete Eizellen und untersuchten die Tiere, die sich daraus entwickelten. Fazit: Auch in diesen Mäuse-Nachkommen waren die synaptische Plastizität und die Lernfähigkeit verbessert. Weitere Untersuchungen offenbarten, welche RNAs konkret für die epigenetische Vererbung verantwortlich waren. Demnach können zwei sogenannte microRNAs – miRNA212 und miRNA132 – zumindest einen Teil der vererbten Lernfähigkeit erklären.

Wie die Forscher berichten, beeinflussen diese Steuermoleküle die Aktivierung von Genen. Darüber hinaus stellten sie fest, dass sich miRNA212 und miRNA132 nach körperlicher und geistiger Aktivität sowohl im Gehirn als auch in den Spermien der Mäuse anreichern. „Unsere Arbeiten bringen zum ersten Mal ein epigenetisches Phänomen konkret mit bestimmten microRNAs in Verbindung“, konstatiert Fischer.

Gilt das auch beim Menschen?

Auch beim Menschen gilt, dass körperliche Aktivität und geistiges Training die Lernfähigkeit steigern. Ob Lernfähigkeit epigenetisch vererbt wird, lässt sich beim Menschen jedoch nicht ohne weiteres untersuchen. Die Ergebnisse von Fischer und seinen Kollegen helfen aber, Hinweise auf diese Frage zu finden.

So planen die Wissenschaftler nun zu überprüfen, ob die Steuermoleküle miRNA212 und miRNA132 auch in menschlichen Spermien nach Phasen körperlicher oder geistiger Aktivität angereichert werden. (Cell Reports, 2018; doi: 10.1016/j.celrep.2018.03.059)

(Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)/ Universitätsmedizin Göttingen, 13.04.2018 – DAL)

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