Medizin

Bluttest verrät Alzheimer-Risiko

Test verrät Demenz schon acht Jahre vor Auftreten der Symptome

Fehlgefaltete Amyloid-Beta-Proteine absorbieren infrarotlicht anders als gesunde. Das nutzt der Bluttest aus: Er weist die Frequenzverschiebung bei Alzheimer-Betroffenen nach (rechts) © K. Gerwert, A. Nabers/ RUB

Hoffnung durch Früherkennung: Forscher haben einen Bluttest entwickelt, der Alzheimer schon lange vor den ersten Symptomen erkennen kann. Der Test weist krankhaft veränderte Amyloid-Proteine im Blut nach – acht Jahre vor der klinischen Diagnose. Betroffene könnten dadurch vor der beginnenden Demenz gewarnt und entsprechend frühzeitig behandelt werden. Das Fortschreiten von Alzheimer ließe sich so künftig effektiver bremsen oder sogar aufhalten.

Allein in Deutschland sind rund 1,3 Millionen Menschen von Alzheimer betroffen – Tendenz steigend. Doch bisher gibt es trotz intensiver Forschung kein wirksames Heilmittel für diese Demenz. Neue Medikamente können die fortschreitende Zerstörung von Hirnzellen allenfalls bremsen. Meist aber wird Alzheimer erst dann erkannt, wenn die Betroffenen schon deutliche mentale Ausfälle zeigen und der Hirnschwund weit fortgeschritten ist. Diese Schäden sind dann irreversibel.

Früherkennung bessert Chancen

Umso wichtiger ist es nach Ansicht von Medizinern, Alzheimer schon vor Auftreten der spürbaren Symptome zu diagnostizieren. Denn je früher mit einer Therapie begonnen wird, desto größer stehen die Chancen, den Hirnschwund einzudämmen. Bisher jedoch erfordert eine solche Früherkennung teure bildgebende Verfahren wie die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) oder die Entnahme von Rückenmarksflüssigkeit.

Eine einfachere und günstige Früherkennung haben nun Klaus Gerwert von der Ruhr-Universität Bochum und seine Kollegen entwickelt. „Unser einfacher und kostengünstiger Bluttest kann die Erkrankung bereits in einem noch symptomlosen Stadium aufspüren und Personen identifizieren, die ein besonders hohes Risiko haben, Alzheimer zu entwickeln“, erklärt Gerwert.

Bluttest erkennt Amyloid-Proteine

Der Bluttest beruht auf dem Nachweis fehlgefalteter Amyloid-Beta-Proteine im Blut. Diese Proteine können im Gehirn nicht korrekt abgebaut werden und bilden im Laufe der Zeit Ablagerungen, sogenannte Plaques. Gängiger Theorie nach sind diese Plaques mitschuld am fortschreitenden Absterben von Gehirnzellen.

Das Protein Amyloid-Beta spielt bei Alzheimer eine Schlüsselrolle. © NIH

Die Forscher haben eine n Sensor entwickelt, der das Verhältnis von normalen und fehlgefalteten Amyloid-Proteinen im Blut messen kann. Weil beide Strukturen unterschiedliche Wellenlängen von Infrarotlicht absorbieren, lässt sich ihr Anteil mit einem speziellen Infrarotsensor ermitteln. Der Clou daran: Die Fehlfaltung des Amyloid-Beta-Proteins beginnt bereits 15 bis 20 Jahre vor Auftreten der ersten Symptome – daher eignet sich dieses Protein als Biomarker für die Früherkennung.

Trefferquote 70 Prozent

Wie gut der Bluttest funktioniert, haben die Wissenschaftler bereits in einer Pilotstudie getestet. In dieser untersuchten sie im Laufe von 15 Jahren entnommene Blutproben von rund 870 Teilnehmern einer Langzeitstudie. 65 von ihnen entwickelte später eine Alzheimer-Demenz. Es zeigte sich: In 70 Prozent der Fälle identifizierte der Bluttest schon acht Jahre im Voraus die Teilnehmer, bei denen sich später tatsächlich eine Alzheimer-Demenz entwickelte.

Allerdings: Bei neun Prozent der Teilnehmer lieferte der Test fälschlicherweise ein positives Ergebnis, obwohl die Probanden gesund blieben. „Momentan ist der Test wegen der falsch positiven Ergebnisse noch nicht zur alleinigen Frühdiagnose von Alzheimer geeignet“, erläutert Gerwert. „Aber er eröffnet die Möglichkeit, in einem kostengünstigen und minimal-invasiven Screening Personen herauszufiltern, die sich dann einer weiterführenden teuren und invasiven Diagnose unterziehen sollten, die ein falsch positives Ergebnis ausschließen kann.“

Hoffnung auf bessere Therapie

Die Wissenschaftler arbeiten bereits daran, den Immuno-Infrarot-Sensor technisch so zu verbessern, dass die Rate an falsch-positiven Testergebnissen sinkt und die Trefferquote steigt. Denn sie sehen in dem Bluttest eine vielversprechende Chance, die Diagnose und Therapie von Alzheimer künftig zu verbessern.

„Möglicherweise können Medikamente, die derzeit in klinischen Studien erprobt werden, das Fortschreiten der Krankheit aufhalten, wenn sie in diesem frühen Stadium angewandt würden“, sagt Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Auch die Entwicklung neuartiger Therapieansätze könnte nach Meinung der Experten von diesem frühzeitigen Bluttest enorm profitieren. (EMBO Molecular Medicine, 2018; doi: 10.15252/emmm.201708763)

(Deutsches Krebsforschungszentrum, Ruhr-Universität Bochum, 09.04.2018 – NPO)

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