Glühende Osterbescherung: Die chinesische Raumstation Tiangong-1 wird zwischen Ostersamstag und Ostermontag unkontrolliert abstürzen. Dabei wird die gut zehn Meter lange Station größtenteils in der Atmosphäre verglühen, einige Trümmerstücke könnten aber die Erdoberfläche erreichen. Die Absturzstelle liegt nach Angaben der ESA zwischen dem 43. nördlichen und südlichen Breitengrad. Wo dort die Trümmerteile auftreffen, kann jedoch erst wenige Stunden vorher ermittelt werden.
Die im Herbst 2011 gestartete chinesische Raumstation Tiangong-1 ist seit März 2016 offiziell Weltraumschrott: Weil der Kontakt zu ihr abgebrochen ist, lässt sich die zehn Meter lange und 8,5 Tonnen schwere Station seither weder steuern noch in ihrem Orbit halten. Als Folge sinkt Tiangong-1 seither stetig immer weiter ab – momentan kreist sie in nur noch gut 200 Kilometern Höhe – ihr Wiedereintritt in die Erdatmosphäre steht unmittelbar bevor.
Wiedereintritt an Ostern
Nach neuesten Schätzungen wird die chinesische Raumstation an Ostern in die Erdatmosphäre eintreten. Die Weltraumschritt-Experten der ESA rechnen damit, dass dies zwischen Samstag, dem 31. März und Ostermontag dem 2. April stattfinden wird. Der genaue Zeitpunkt hängt unter anderem davon ab, ob die Raumstation noch über eine funktionierende Lagekontrolle verfügt oder unkontrolliert trudelt.
Normalerweise wird bei großen Objekten wie Tiangong-1 ein kontrollierter Wiedereintritt durchgeführt: Sie werden gezielt so abgebremst, dass sie über unbewohntem Gebiet niedergehen. Beim Wiedereintritt der russischen Raumstation Mir im März 2001 geschah dies durch eine angedockte Progress-Rakete, die den 130 Tonnen Koloss über den Südpazifik lenkte. Weil jedoch kein Kontakt zu Tiangong-1 besteht, wird die Raumstation unkontrolliert in die Atmosphäre eintreten – ähnlich wie im Jahr 2013 der Satellit GOCE.
Wo wird Tiangong-1 abstürzen?
Das bedeutet auch, dass der Ort des Wiedereintritts im Vorhinein nur schwer bestimmt werden kann. „Erst einen Tag vor dem Wiedereintritt wird man die Bodenspur, und damit die Region auf der Erde, in der die Station herunterkommen wird, grob bestimmen können“, erklärt die ESA. Klar ist jedoch, dass die Raumstation in einem Gebiet zwischen knapp 43 Grad nördlicher und 43 Grad südlicher Breite abstürzen wird.
Deutschland liegt demnach nicht im potenziellen Absturzgebiet, wohl aber große Teile der USA, Mittelamerika, Indien, China und andere dicht besiedelte Regionen. Wegen der Geometrie der Umlaufbahn von Tiangong-1 ist es nach Angaben der ESA wahrscheinlicher, dass die Station an den Rändern dieses Breitengrad-Bereichs in die Atmosphäre eintritt. Die aktuellen Informationen zum Wiedereintritt und dem voraussichtlichen Absturzgebiet veröffentlicht die ESA auf dieser Website.
Könnten Trümmerteile die Erde treffen?
Tiangong-1 tritt mit gut 25.000 Kilometer pro Stunde in die Erdatmosphäre ein. Dabei wird sie durch die Reibung stark abgebremst und enorme G-Kräfte wirken auf die Bauteile ein. Gleichzeitig heizt sie sich so stark auf, dass sie zu glühen beginnt. Als Folge wird die Raumstation auseinanderfallen und größtenteils verglühen. Vom der Erde aus könnte dies als helle Lichtspur ähnlich der eines Meteoriten sichtbar sein.
Einige massivere Trümmerteile jedoch könnten den Wiedereintritt überstehen und auf die Erdoberfläche stürzen. Wie die ESA berichtet, kann das ellipsenförmige Absturzgebiet einige hundert Kilometer lang sein. Die Wahrscheinlichkeit jedoch, dass eines der Trümmerteile einen Menschen treffe, sei extrem gering: „Die Wahrscheinlichkeit, von einem Stück Weltraumschrott getroffen zu werden, ist deutlich geringer als das Risiko, dass einen zweimal im gleichen Jahr ein Blitz trifft“, erklärt Holger Krag von der Weltraumschrott-Abteilung der ESA in Darmstadt.
Tatsächlich ist in der gesamten Raumfahrtgeschichte noch kein Mensch von einem abstürzenden Weltraumschrott-Teil getötet worden. Der einzige bekannte Fall, bei dem ein solches Trümmerstück überhaupt einen Menschen traf, ereignete sich im Januar 1997: Die US-Amerikanerin Lottie Williams wurde in Oklahoma von einem kleinen Metallstück an der Schulter getroffen, aber nicht verletzt. Das Fragment stammte von der zweiten Brennstufe einer Delta-Trägerrakete. Selbst beim unkontrollierten Absturz der gut 70 Tonnen schweren US-Raumstation Skylab im Jahr 1979 wurde nur ein Hase im australischen Outback getroffen.
(ESA, 29.03.2018 – NPO)