Skurrile Idee: Forscher wollen künftig Hurrikans durch einen raffinierten Einsatz von Druckluft verhindern – oder sie zumindest abschwächen. Denn wenn diese Luft ins Meer gepumpt wird, dann bringen die aufsteigenden Luftbläschen kaltes Wasser an die Oberfläche. Im Golf von Mexiko und anderen Hurrikan-„Wiegen“ könnte die Meerestemperatur damit unter den Schwellenwert gedrückt werden, ab dem Wirbelstürme entstehen, wie die Wissenschaftler erklären.
Das Rezept für einen Wirbelsturm ist ganz einfach: Man nehme die Erdrotation, ein wenig Seitenwind und – vor allem – eine ausreichend warme Meeresoberfläche. Denn der vom Ozean aufsteigende Wasserdampf ist der entscheidende Motor für den Hurrikan. Als Schwellenwert für die Entstehung eines Wirbelsturms gilt dabei eine Meerestemperatur von 26,5 Grad. Diese Schwelle ist der Grund, warum diese Stürme nur in tropischen Meeresgebieten und im Sommer entstehen.
Abkühlung als Gegenstrategie
Doch durch den Klimawandel kommt es immer häufiger zur Bildung schwerer Wirbelstürme, gleichzeitig verstärkt sich ihre Intensität. Denn je wärmer das Meerwasser ist, desto mehr Energie bekommt der Sturm. Bei den schweren Hurrikans Irma, Harvey und Maria, die im Sommer 2017 die USA heimsuchten, lag die Meerestemperatur im Golf von Mexiko bei rund 32 Grad.
Forscher suchen schon länger nach Methoden, solche Megastürme zu verhindern – beispielsweise indem man das Meer künstlich abkühlt. Einige schlugen vor, dafür Eisberge aus der Arktis in die Tropen zu schleppen. Andere wollten Wolken diesen Meeresgebieten mit Meersalz „düngen“, um sie aufzuhellen und so die Reflexion des Sonnenlichts zu verstärken. Es wurde auch schon probiert, große Mengen Trockeneis über entstehenden Hurrikans oder in deren künftiger Zugbahn abzuwerfen – ohne großen Erfolg.
Bläschen als „Klimaanlage“
Eine neue Idee haben nun Grim Eidnes von der norwegischen Forschungsorganisation SINTEF und seine Kollegen vorgeschlagen: Sie wollen Vorhänge aus aufsteigenden Luftbläschen für die Kühlung des Ozeans einsetzen. Solche Blasenvorhänge werden in Norwegen schon seit Jahren dazu genutzt, die Fjorde eisfrei zu halten. Um sie zu erzeugen, wird eine durchlöcherte Leitung im Wasser versenkt und Druckluft hineingepumpt.
Die aufsteigenden Bläschen wirken wie eine Klimaanlage: Wenn sie an die Oberfläche steigen, bringen sie Wasser aus der Tiefe mit und sorgen so für einen Temperaturausgleich. „Weil das Oberflächenwasser im Winter bei uns kälter ist als das Tiefenwasser, können wir so das Zufrieren der Fjorde verhindern“, erklärt Eidnes.
Kaltwasser-Schub von unten
In den tropischen Hurrikan-Wiegen wäre es umgekehrt: Hier würden die Bläschen kaltes Tiefenwasser nach oben bringen und so die Meeresoberfläche abkühlen. „Durch solche Blasenvorhänge könnte die Meeresoberflächentemperatur unter 26,5 Grad fallen – und das würde dem Hurrikan seine Energiezufuhr kappen“, sagt Eidnes. „Mit dieser Methode könnten wir verhindern, dass Hurrikans lebensbedrohliche Intensitäten erreichen.“
Im Golf von Mexiko müssten die Druckluftleitungen dafür in 100 bis 150 Metern Tiefe verlegt werden, wie die Forscher ermittelten. Dann wäre das mit den Blasen aufsteigende Waser kalt genug, um die Meeresoberfläche ausreichend abzukühlen. „Damit wäre unser System auch kein Hindernis für die Schifffahrt“, sagt Olav Hollingsaeter, dessen Firma OceanTherm am aktuellen Forschungsprojekt teilnimmt.
Einsatz an Ölplattformen und Meerengen
Die nötigen Leitungen für das ungewöhnliche Kühlsystem könnten beispielsweise von Ölplattformen ausgebracht werden. Gerade im Golf von Mexiko sei dies dank der mehr als 4.000 Ölplattformen kein Problem, so die Forscher. Alternativ könnte man solche Blasenbarrieren jedoch auch auf typischen Zugrouten der Wirbelstürme fest installieren – zum Beispiel in der Meerenge zwischen Kuba und Yucatan.
„Die Leitungen könnten quer über die Yucatan-Meerenge gelegt werden oder als stationäre Schutzzone entlang der Küsten“, sagt Eidnes. „An Einsatzmöglichkeiten herrscht kein Mangel.“ Weil das System sich in den norwegischen Fjorden bereits bewährt hat, halten die Forscher den Einsatz auch in anderen Meeresgebieten für durchaus machbar. Erste Tests und Studien haben sie bereits durchgeführt. „Dieses Projekt ist sinnvoll und wichtig“, sagt Hollingsaeter. „Ich hoffe deshalb, dass wir Erfolg haben werden.“
(SINTEF, 23.03.2018 – NPO)