Heimat mit zwei Sonnen: Der interstellare Asteroid ‚Oumuamua könnte aus einem Doppelsternsystem stammen. Denn bei einander eng umkreisenden Sternen ist die Wahrscheinlichkeit besonders groß, dass Asteroiden aus dem inneren Bereich herausgeschleudert werden, wie Astronomen ermittelt haben. Die Flugbahn von ‚Oumuamua und sein Zustand sprechen zudem dafür, dass er lange Zeit im interstellaren Raum unterwegs war.
Er ist ein echter Exot: Im Oktober 2017 entdeckten Astronomen ein Objekt, das auf ungewöhnlicher Bahn durch unser Sonnensystem raste. Der zigarrenförmige Brocken bewegte sich zudem extrem schnell und schien kein Komet zu sein. Inzwischen ist klar, dass es sich bei dem ‚Oumuamua getauften Objekt um einen interstellaren Gast handelte – einen Himmelskörper aus den Tiefen des Alls.
Woher kommt der interstellare Asteroid?
Das Seltsame daran: ‚Oumuamua ist kein eisiger Komet, sondern wahrscheinlich ein Asteroid – ein steiniger, eisarmer Brocken. Darauf deuteten nähere Beobachtungen des Objekts mit verschiedenen Teleskopen hin. Doch typischerweise kommen solche Gesteinsbrocken vor allem im Inneren von Planetensystemen vor.
Doch im Gegensatz zu eisigen Himmelskörpern weiter außen werden Asteroiden nur selten so stark aus ihrer Bahn geworfen, dass sie das System ganz verlassen. „Es ist wirklich seltsam, dass das erste Objekt von außerhalb unseres Sonnensystems, das wir entdecken, ein Asteroid ist“, sagt Erstautor Alan Jackson von der University of Toronto. Denn beispielsweise das Sonnensystem schleudert sehr viel mehr Kometen hinaus als Asteroiden.“
Von großem Himmelskörper aus der Bahn geworfen
Um herauszufinden, woher ‚Oumuamua gekommen sein könnte, haben Jackson und seine Kollegen mithilfe von physikalischen Modellen untersucht, unter welchen Bedingungen Asteroiden zu interstellaren Objekten werden können. In der Regel geschieht dies, wenn die Schwerkraftwirkung eines größeren Himmelskörpers die Brocken aus ihrer bisherigen Flugbahn reißt.
Doch bei einem Stern wie der Sonne wäre ein Planet von mindestens der Masse des Saturn für einen solchen Störeffekt nötig – und er müsste sehr nahe an seinem Stern kreisen, wie die Berechnungen ergaben. „Nur rund zehn Prozent der sonnenähnlichen Sterne besitzen einen Planeten, der Material von so weit innen ausschleudern könnte“, berichten die Forscher. Zudem wäre dies nur dann wahrscheinlich, wenn gleichzeitig ein ungewöhnlich dichter Asteroidengürtel präsent wäre.
Aus Doppelsternsystem vertrieben
Viel wahrscheinlicher wäre dagegen ein anderes Szenario: die Herkunft von ‚Oumuamua aus einem engen Doppelsternsystem. „Solche Doppelsterne sind sehr häufig – und sehr effizient darin, Material auszuschleudern“, sagen die Astronomen. „Sie könnte daher sogar die dominante Quelle von interstellarem Material sein.“
Wie das Modell ergab, stoßen 36 Prozent der engen Doppelsterne vorwiegend steinige, asteroidenähnliche Objekte aus. Insofern gehört ‚Oumuamua im interstellaren Raum zwar zu einer Minderheit, ist aber kein Einzelfall. „Die dominante Quelle solchen Gesteinsmaterials sind dabei enge Doppelsysteme aus Sternen mit mittlerer Masse“, berichten Jackson und seine Kollegen. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass auch ‚Oumuamua aus einem solchen System stammt.“
Weit entfernte Heimat
Wo die ursprüngliche Heimat von ‚Oumuamua liegt, ist bisher unbekannt. Die Astronomen vermuten aber, dass sie eher weit entfernt liegt: „Geschwindigkeit und Flugbahn von ‚Oumuamua deuten darauf hin, dass der Asteroid mit geringer Geschwindigkeit von seinem Muttersystem ausgeschleudert wurde und dass er schon seit langer Zeit im interstellaren Raum unterwegs ist“, sagen die Forscher. Daher ist es ihrer Einschätzung nach eher unwahrscheinlich, dass er von einem nahen Nachbarstern stammt.
Ob Astronomen eines Tages herausfinden werden, woher ‚Oumuamua kam, ist ungewiss. Doch die Astronomen sind sich ziemlich sicher, dass er nicht der einzige oder letzte interstellare Besucher in unserem Sonnensystem gewesen sein wird. Sie vermuten aber, dass die meisten künftig entdeckten interstellaren Objekte eher Kometen ähneln werden – einfach, weil diese im interstellaren Raum häufiger vorkommen. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2018; doi: 10.1093/mnras/sly033)
(2018 Royal Astronomical Society, 20.03.2018 – NPO)