Urzeit-Refugium: In Südafrika könnten unsere Vorfahren eine der schlimmsten Katastrophen der Menschheitsgeschichte überdauert haben – den Ausbruch des Supervulkans Toba vor rund 74.000 Jahren. Denn Ausgrabungen enthüllen, dass die dort lebenden Menschen trotz des vulkanischen Winters ungestört weiterlebten und ihre Population sogar zunahm. Diese Region an der Südspitze Afrikas könnte damit zu den Refugien der Menschheit nach der Katastrophe gehört haben, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“.
Als vor rund 74.000 Jahren auf Sumatra der Supervulkan Toba ausbrach, entgingen unsere Vorfahren möglicherweise nur knapp ihrer Ausrottung. Denn Asche und Staub der Eruption lösten einen vulkanischen Winter aus, der mehrere Jahre lang anhielt. Wie schlimm diese Kaltphase ausfiel und wie schwer dies die ersten Vertreter des Homo sapiens traf, ist jedoch strittig.
Wie schlimm war die Katastrophe?
So deuten Genanalysen darauf hin, dass die Populationen unserer Vorfahren damals stark schrumpften – möglicherweise bis auf wenige zehntausend Menschen. Sie könnten die Katastrophe in Refugien mit milderen Bedingungen überstanden haben, beispielsweise im äquatorialen Afrika. Andere Studien jedoch sprechen dafür, dass der Toba-Ausbruch eine weniger drastische Abkühlung verursachte als von einigen Forschern angenommen.
Jetzt liefern Ausgrabungen an der Südküste Südafrikas neue Einblicke. Eugene Smith von der University of Nevada in Las Vegas und seine Kollegen haben zwei Lagerplätze untersucht, die vor 90.000 bis 60.000 Jahren vom Homo sapiens besiedelt waren. An beiden Fundstellen, dem Felsunterstand Pinnacle Point 5-6 und der rund zehn Kilometer entfernt liegenden Lagerstelle Vleesbaai, zeugen Knochen und Steinwerkzeuge von einer jahrtausendelangen menschlichen Präsenz.
Vulkantrümmer selbst in Südafrika
Inmitten dieser Ablagerungen haben die Forscher nun auch Spuren des Toba-Ausbruchs entdeckt. Es handelt sich um Kryptotephra, mikroskopisch kleine Fragmente von verglastem Vulkangestein. Analysen enthüllten, dass der chemische Fingerabdruck dieser Partikel mit dem des Tobavulkans und seinem Umfeld übereinstimmten. „Zusammen mit der Datierung der Sedimente lässt uns dies schließen, dass diese Trümmerteilchen vom Toba stammen müssen“, konstatieren Smith und seine Kollegen.
Diese Ergebnisse belegen, dass der Ausbruch des Toba selbst in rund 9.000 Kilometer Entfernung – an der Südspitze Afrikas – noch Spuren hinterließ. „Diese Partikel sind die am weitesten von ihrem Vulkan entfernten Tephrafragmente, die jemals gefunden worden sind“, berichten die Wissenschaftler. Dies stützt die Annahme, dass der Ausbruch des Supervulkans mehr als nur regionale Auswirkungen hatte.
„Keine Störungen des Alltags“
Doch welche Folgen hatte die Eruption für die damaligen Bewohner Südafrikas? Machten Aschenregen und Vulkanwinter auch ihnen das Überleben schwer? Um das herauszufinden, verglichen Smith und seine Kollegen die menschlichen Spuren in den Sedimentschichten vor, während und nach der Zeit der Toba-Eruption.
Das überraschende Ergebnis: Die Menschen von Pinnacle Point und Vleesbaai scheinen die Katastrophe problemlos überdauert zu haben. „Wir haben festgestellt, dass diese Orte während und nach der Zeit des Ausbruchs kontinuierlich genutzt wurden“, berichtet Koautor Erich Fisher von der Arizona State University in Tempe. „Es gab keine Hinweise darauf, dass ihr Alltag durch dieses Ereignis gestört wurde.“
Refugium für unsere Vorfahren
Im Gegenteil: Die Menge der Funde deutet darauf hin, dass die Population des Homo sapiens in dieser Region Südafrikas sogar noch zunahm. „Die Intensität der Nutzung dieser Orte steigerte sich sogar noch“, berichten die Forscher. „Kurz nach dem Ausbruch trat zudem eine Reihe von technologischen Innovationen auf, die dann über Jahrtausende dort genutzt wurden.“
Nach Ansicht der Forscher gehörte Südafrika damit nicht nur zu den Ursprungsregionen unserer Art. Die Region an der Südspitze des Kontinents könnte auch eines der Refugien der Menschheit nach der Vulkankatastrophe vor rund 74.000 Jahren gewesen sein – dem milden Küstenklima und der Anpassungsfähigkeit des dort bereits weit entwickelten Homo sapiens sei Dank. (Nature, 2018; doi: 10.1038/nature25967)
(Nature, 13.03.2018 – NPO)