Doch keine Wirkung? Methadon wirkt offenbar offenbar doch nicht gegen Hirntumore. Neue Tests belegen, dass das Opioid-Schmerzmittel die Krebszellen weder direkt angreift noch sie sensibler gegenüber der Chemotherapie macht. Der Grund: Anders als gedacht tragen die meisten Glioblastom-Zellen keine Opioid-Rezeptoren auf ihrer Zelloberfläche – und können daher nicht auf das Methadon ansprechen, wie Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums herausgefunden haben.
Im Sommer 2017 weckte eine Fernsehdokumentation bei vielen Krebspatienten die Hoffnung auf ein neues „Wundermittel“ gegen Krebs. Denn sie stellte Patienten vor, deren Krebserkrankung durch die Gabe von Methadon gebessert und teilweise sogar geheilt wurde. Zudem berichtete Claudia Friesen von der Universität Ulm, dass Tumorzellen verschiedenster Krebsformen schnell und vollständig absterben, wenn die Zellkulturen zusätzlich zu einem Chemotherapeutikum mit Methadon versetzt werden.
Wirkung umstritten
Das Problem: Bei den vorgestellten Patienten handelte es sich um Einzelfälle, eine klinische Studie zur Wirkung von Methadon bei Krebs fehlte. Hinzu kommt: Methadon steht im Verdacht, das Herz zu schädigen und bei langfristiger Einnahme die Lebenszeit deutlich zu verkürzen. Darauf deutet unter anderem eine Langzeitstudie an US-Schmerzpatienten hin. Krebsforscher warnten deshalb damals davor, unkritisch Methadon zu verschreiben oder einzufordern, bis nicht weitere Ergebnisse vorliegen.
Das ist nun der Fall: Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg unter Leitung von Wolfgang Wick haben gezielt untersucht, wie sich Methadon auf Zellen des Glioblastoms auswirkt. Dieser häufige und besonders aggressive Hirntumor gehört zu den Krebsarten, die besonders gut auf eine Zusatztherapie mit Methadon ansprechen sollen.
Kein heilsamer Effekt nachweisbar
Um das zu überprüfen, haben Wick und sein Team menschliche Glioblastomzellen mit Methadon allein, mit Methadon und dem Chemotherapeutikum Temozolomid sowie nur mit dem Chemotherapeutikum oder als Kontrolle gar nicht behandelt. „In der aktuellen Studie ist mit Zellen gearbeitet worden, die der Situation beim Patienten ähnlich sind“, betont Uwe Schlegel von der Universitätsklinik Bochum.
Das Ergebnis: „Leider mussten wir feststellen, dass Methadon die Wirksamkeit der Chemotherapie nicht verstärkt“, berichtet Wick. „Das Opioid hat keinerlei sensibilisierende Wirkung für die bei Glioblastomen eingesetzte Standardtherapie mit Temozolomid. Auch Methadon allein hat keinen nachweisbaren Effekt auf das Überleben oder Sterben der Krebszellen.“
Andockstellen für Methadon fehlen
Der Grund dafür: Entgegen vorherigen Annahmen besitzen die meisten humanen Glioblastomzellen keine Andockstellen für Methadon. Ohne diese Opioid-Rezeptoren jedoch kann das Mittel weder in die Zellen eindringen noch auf sie wirken, wie die Forscher erklären. „Diese Zellen können deshalb leider gar nicht auf Methadon ansprechen“, sagt Schlegel.
Nach Ansicht der Krebsforscher sprechen diese neuen Erkenntnisse gegen einen Einsatz von Methadon als unterstützende Behandlung zur Chemotherapie bei Glioblastom. „Außerhalb von klinischen Studien ist von einer supportiven Methadon-Therapie des Glioblastoms dringend abzuraten“, betont Schlegel. Ob Methadon vielleicht auf andere Tumorarten oder andere Chemotherapien wirkt, lässt sich jedoch nicht ausschließen – das muss nun weiter untersucht werden. (33. Deutscher Krebskongress, Oncol Res Treat 2018)
(Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V., 01.03.2018 – NPO)