Bildung

Hier ist locker lernen angesagt

Die experimenta in Heilbronn und ihr interaktives Konzept

Gemeinsam erleben, ausprobieren und verstehen – ein Erfolgsrezept der Science Center © experimenta

Wissenschaft erleben und buchstäblich begreifen: Das Konzept der Science Center hat in Heilbronn großen Erfolg – die dortige experimenta wird nun bis zum Frühjahr 2019 zum größten Science Center Deutschlands ausgebaut. Über die geplanten Angebote des „interaktiven Museums“ und über die Konzepte des aktiven Lernens haben wir mit Katrin Hille, der zuständigen Expertin bei der experimenta, und Agnes Bauer, Lernforscherin am TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen der Universität Ulm, gesprochen.

„Bitte nichts berühren!“ In traditionellen Museen und Ausstellungen schreiten die Besucher andächtig von Exponat zu Exponat, betrachten und lesen. „Mach mit und probier’s aus!“ heißt es hingegen in den Science Centern: Hier drücken die Besucher Knöpfe, drehen Kurbeln, setzen sich auf etwas drauf… und lösen Effekte aus. „Mit den Exponaten traditioneller Museen ist das natürlich nicht möglich, da es sich oft um kostbare Einzelstücke handelt. Deshalb hat auch dieses Konzept nach wie vor seine Berechtigung“, sagt Katrin Hille von der experimenta. „Science Center haben hingegen eine andere Zielsetzung: Sie bieten den Besuchern die Möglichkeit, Zusammenhänge und Phänomene spielerisch zu erfahren und zu begreifen“, so die Psychologin und Lernforscherin.

Erfolg mit Wachstumseffekt

Dieses Konzept hat seit 2009 Hunderttausende kleiner und großer Besucher sowie Schulklassen und Kindergartengruppen in die experimenta Heilbronn gelockt. Der Erfolg hat zum Wachstum geführt: Die bisherigen Angebote werden nun ausgeweitet und um zahlreiche neue Formate ergänzt. Wenn die experimenta im Frühjahr 2019 wieder ihre Tore öffnet, können die Besucher in vier Ausstellungswelten über 275 Exponate erleben und in neun hochwertig ausgestatteten Laboren experimentieren.

„Man darf sich aber zur Abwechslung durchaus auch mal entspannt zurücklehnen und staunen“, sagt Hille: Der Science Dome wird mit seinem 700 Quadratmeter großen 3D-Screen, einem drehbaren Zuschauerraum und einer effektsprühenden Hightech-Bühne für Wow-Effekte sorgen. Das zentrale Angebot der neuen experimenta wird aber erneut sein, „sich selbst wirksam zu erleben“, wie es Hille ausdrückt. Es handelt sich dabei um ein natürliches und besonders bei Kindern ausgeprägtes Bedürfnis, das eindeutig mit dem Lernen verknüpft ist.

„Wenn Kinder beispielsweise in einem Fahrstuhl wild alle Knöpfe drücken, wollen sie ausprobieren und erleben, was dann passiert und letztlich dabei lernen“, sagt Hille. Lernen ist keineswegs an Disziplin geknüpft, betont sie. Manchmal ist zwar auch Auswendiglernen oder Belehrung angesagt, doch allzu altbackene Lehrkonzepte haben sich als problematisch erwiesen: Manche Menschen sträuben sich intensiv gegen zu passive Formen der Informationsvermittlung und können dadurch letztlich ihr Potenzial nicht entfalten.

Momentan schwimmt die experimenta: Während das Gebäude für die Bauarbeiten geschlossen hat, lädt das Schiff MS experimenta zu einem Besuch ein. © experimenta

Hier muss keiner irgendetwas lernen

In den Science Centern gehört hingegen Zwanglosigkeit zum Programm: „Man muss sich dort auf das manchmal chaotisch wirkende Treiben unter Umständen erst einmal einlassen“, sagt Agnes Bauer: „Besucher mit eher traditionellen Vorstellungen über das Lernen können eventuell schwer erkennen, dass sie es dort mit einer Lernatmosphäre zu tun haben“, sagt die Psychologin, die sich seit Jahren mit dem Konzept der Science Center beschäftigt.

Die Lernforschung hat ihr zufolge aber immer deutlicher gezeigt, wie sehr Spaß und Selbstbestimmung die Lernbereitschaft fördern und zu einem besseren Endergebnis führen als Disziplin, Druck und Belehrung. „Manchmal ist eben Rennen angesagt, danach finden die Kinder selber wieder etwas, das sie interessiert und sie konzentrieren sich“, erklärt Bauer.

Wie Motivation entsteht

Intrinsische Motivation heißt das Stichwort, das auch Hille immer wieder erwähnt: Menschen sind gern zum Lernen bereit, wenn es mit Spaß verknüpft ist, Sinn macht oder herausfordernd ist und in einer zwanglosen Atmosphäre stattfindet. „In ein Science Center soll man gerne kommen und nicht, weil man meint, etwas lernen zu müssen“, sagt Hille. Die Freude entsteht durch sogenannte Kompetenzerlebnisse und durch die Erfahrung von Autonomie: Ohne fremdgesteuert zu sein, sollen die Besucher die Effekte des eigenen Handelns erleben können – wenn sie beispielsweise in der „Klangwerkstatt“ Töne zu Melodien formen oder am Exponat „Ab durch die Luft!“ Tücher sausen lassen.

„Schau mal!“ oder „Lass uns das zusammen machen!“ – auch das gemeinsame Erleben ist ein wichtiges Erfolgsrezept der Science Center, denn in der Regel kommen die Besucher in Gruppen oder zu zweit. Studien zeigen, dass Interaktion das Lernen besonders günstig beeinflusst: „Es wirkt sich positiv aus, wenn man gemeinsam entdeckt, erlebt und andere auf etwas aufmerksam machen kann“, sagt Bauer. „Es ist dabei schön zu sehen, wie dies über Generationen hinweg funktioniert, wenn etwa Großeltern gemeinsam mit ihren Enkeln die Angebote nutzen“.

Das Konzept der Science Center hat allerdings noch immer Entwicklungspotenziale, sagen die beiden Lernforscherinnen. Ein wichtiger Trend ist ihnen zufolge momentan, die Besucher von Konsumenten zu Mitgestaltern der Angebote zu machen. „Wir wollen noch mehr in Kontakt mit den Besuchern kommen und ihnen die Möglichkeit bieten, Wissenschaft zu diskutieren, Meinungen zu äußern und sie letztlich an der Weiterentwicklung der Konzepte teilhaben zu lassen“, sagt Hille. „Dazu wird es auch in der neuen experimenta einen extra Raum geben: das Forum“.

(, 28.02.2018 – MVI)

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