Genetik

Überraschung im Pferdestammbaum

Przewalskipferde sind keine Wildpferde und Botaipferde nicht die Urväter der Hauspferde

DNA-Vergleiche enthüllen: Przewalsi-Pferde sind doch keine echten Wildpferde © Ancalagon/ CC-by-sa 3.0

Doppelte Überraschung: Unsere Annahmen über die Domestikation der Pferde sind in gleich zweifacher Hinsicht falsch, wie eine DNA-Studie nun enthüllt. Demnach sind die vor 5.500 Jahren in Kasachstan gezähmten Botaipferde doch nicht die Vorfahren aller heutigen Pferderassen – sie sind nicht einmal eng mit ihnen verwandt. Überraschend auch: Die Przewalski-Pferde sind keine Abkömmlinge echter Wildpferde – sie sind bloß verwilderte Hauspferde, wie Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.

Die Domestikation der Pferde war ein Wendepunkt in der Kulturgeschichte der Menschheit. Denn mit Hilfe dieser vierbeinigen Helfer konnten unsere Vorfahren erstmals größere Entfernungen überwinden, Lasten effektiv transportieren und ganz neue Techniken in Ackerbau, aber auch Kriegswesen entwickeln. Bisher gingen Forscher davon aus, dass der Ursprung aller Hauspferde in Kasachstan liegt. Dort wurden vor rund 5.500 Jahren erstmals die sogenannten Botaipferde gezähmt und gezüchtet.

Spurensuche in fossiler DNA

Die ebenfalls in den Steppen Zentralasiens vorkommenden Przewalski-Pferde galten dagegen als letzte Abkömmlinge echter Wildpferde. Genanalysen legten nahe, dass die Przewalski-Pferde keine direkten Vorfahren der Hauspferde waren, sondern dass ihre Linie schon Jahrtausende vor der Domestikation der Pferde vom Pferdestammbaum abzweigte.

Doch neue DNA-Analysen widerlegen nun all diese Annahmen. Demnach sind weder die Botai- noch die Przewalski-Pferde das, wofür wir sie bisher hielten. Für ihre Studie haben Charleen Gaunitz vom Naturgeschichtlichen Museum in Kopenhagen und ihr Team das Erbgut von 20 Botaipferden und 22 weiteren Pferdefossilien aus verschiedenen Orten Eurasiens analysiert. Aus Vergleichen dieser Gendaten rekonstruierten sie die Verwandtschaftsverhältnisse und Entwicklung der Hauspferde und der Przewalski-Pferde.

Nicht die Vorfahren unserer Hauspferde

Das überraschende Ergebnis: Im Erbgut der Hauspferde findet sich so gut wie keine DNA der Botaipferde. Keine einzige der eurasischen Pferderassen der letzten viertausend Jahre trägt mehr als 2,7 Prozent Botai-DNA im Genom. Demnach kann keine dieser Rassen direkt auf die Botaipferde zurückgehen, so die Forscher. Stattdessen deuten die DNA-Vergleiche auf einen anderen gemeinsamen Ursprung der Hauspferde hin.

Schädel eines Botaipferdes aus der Zeit vor rund 5.500 Jahren. © Sandra Olsen

„Das ist eine große Überraschung“, sagt Koautorin Sandra Olsen von der University of Kansas. „Ich war eigentlich davon überzeugt, dass wir mit den Botai die ältesten domestizierten Pferde gefunden hatten. Doch die DNA-Ergebnisse zeigen, dass diese Steppenpferde nicht die Vorfahren der heutigen Hauspferde sind.“ Wer die wirklichen Ahnen unserer Pferde sind, ist damit wieder offen.

Przewalskis sind keine Wildpferde

Die zweite Überraschung: Auch die Przewalski-Pferde sind nicht das, wofür man sie gehalten hat. „Sie galten bisher als die letzten echten, niemals domestizierten Wildpferde“, sagen Gaunitz und ihre Kollegen. „Unsere Ergebnisse enthüllen nun, dass sie stattdessen verwilderte Abkömmlinge der Botaipferde sind.“

Ihr Erbgut legt nahe, dass die Przewalski-Pferde von Botaipferden abstammen, die ihren Haltern entkamen und fortan wild in der Steppe lebten. Weil die Przewalski-Pferde einige ursprüngliche Merkmale wie die hochstehende Mähne und die Fellfarbe behalten haben, ähneln sie zwar äußerlich noch den auf Höhlenmalereien dargestellten echten Wildpferden. Doch ihre Vorfahren waren bereits domestizierte Pferde.

„Das bedeutet auch, dass es heute keine echten Wildpferde mehr gibt – das ist die traurige Nachricht“, sagt Olsen. „Wir dachten die ganze Zeit, dass es noch eine letzte Wildpferdeart gibt und erst jetzt stellt sich heraus, dass alle Wildpferde ausgestorben sind.“

Wer waren die ersten domestizierten Pferde? Diese frage ist nun wieder offen. © Ludovic Orlando

Die Suche geht weiter

Dank dieser neuen Erkenntnisse muss nun die Domestikationsgeschichte der Pferde neu geschrieben werden. Denn wo die Vorfahren unserer Hauspferde lebten und wer sie zähmte, ist weiterhin unbekannt. „Während des dritten Jahrtausends vor Christus muss eine weitere, nicht mit den Botaipferden verwandte Pferdegruppe zum Ursprung aller domestizierten Pferdepopulationen geworden sein“, so die Forscher.

Sie vermuten, dass der Ursprung der Hauspferde irgendwo im Gebiet zwischen Osteuropa, Anatolien und dem Iran liegen könnte. Möglicherweise züchteten damals Steppennomaden eine Pferderasse, die besser als die Botaipferde für weite Ritte über Land und für Kriegszüge geeignet waren. Diese noch unbekannte Rasse verbreitete sich daher schnell und könnte so zur Urform aller Hauspferde geworden sein. Die Suche nach Spuren der Hauspferd-Urväter geht damit weiter. (Science, 3018; doi: 10.1126/science.aao3297)

(Veterinärmedizinische Universität Wien, University of Kansas, CNRS, 23.02.2018 – NPO)

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