Die Ozeane steigen immer schneller an: Die Rate des Meeresspiegel-Anstiegs beschleunigt sich pro Jahr um knapp 0,1 Millimeter, wie Forscher jetzt ermittelt haben. Das bedeutet: Bis 2100 könnten die Pegel im Mittel 65 Zentimeter höher liegen – so die konservative Prognose. Die neuen Beobachtungsdaten bestätigen damit, was Klimamodelle schon länger nahelegen, so die Wissenschaftler. Ursache der Beschleunigung sei vor allem die rapide zunehmende Eisschmelze in Grönland und der Antarktis.
Allein im letzten Jahrhundert sind die Pegel weltweit um durchschnittlich 14 Zentimeter angestiegen – wie sich das Meerwasser durch die Erwärmung ausdehnt und gleichzeitig vermehrt Schmelzwasser in die Ozeane strömt. Die ersten Folgen dieses Meeresspiegel-Anstiegs machen sich schon bemerkbar: Schon jetzt raubt das vorrückende Meer Menschen in Asien, aber auch im Süden der USA ihr Land. Großstädte wie New York müssen mit häufigeren Hochwassern rechnen und viele Weltkulturerbe-Stätten gelten als vom Untergang bedroht.
Trend oder natürliche Schwankung?
Offen war jedoch bisher die Frage, ob und wie stark sich der Meeresspiegel-Anstieg beschleunigt. Klimamodelle sagen dies zwar voraus, aber solche subtilen, langfristigen Trends aus Beobachtungsdaten herauszulesen ist kompliziert. Denn sowohl Klimaphänomene wie der El Nino als auch starke Vulkanausbrüche können die Pegel beeinflussen und das Erkennen langfristiger Entwicklungen behindern.
Doch Forscher um Steve Nerem von der University of Colorado in Boulder ist es nun gelungen, diese Störfaktoren weitestgehend herauszurechnen. In einer der bisher umfassendsten Studien zum Meeresspiegel-Anstieg werteten sie Satelliten-Daten und Messungen von Gezeitenstationen der letzten 25 Jahre aus. Mithilfe von Klimamodellen identifizierten sie dann, welche Pegelveränderungen auf natürliche Schwankungen und kurzfristige Störfaktoren zurückgehen – und welche nicht.
Pegel steigen immer schneller
Das Ergebnis: Die Ozeane steigen immer schneller an. Pro Jahr nimmt das Tempo des Meeresspiegel-Anstiegs um knapp 0,1 Millimeter zu, wie die Forscher errechneten. Das bedeutet, dass aus den momentan rund drei Millimetern jährlichen Pegelanstiegs in zehn Jahren schon vier Millimeter pro Jahr werden. Bis 2100 könnten dadurch Anstiegsraten von zehn Millimetern und mehr erreicht werden.
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„Diese Beschleunigung könnte das Ausmaß des Meeresspiegel-Anstiegs bis 2100 gegenüber den bisherigen Prognosen konstanten Anstiegs verdoppeln“, sagt Nerem. „Statt etwa 30 Zentimeter mehr könnten wir bis dahin mehr als 60 Zentimeter bekommen.“ Für viele Küstenregionen wäre das der sichere Untergang. Denn der Meeresspiegel steigt an einigen Orten deutlich stärker als im globalen Durchschnitt, unter anderen in Südostasien, aber auch an Teilen der US-Ostküste.
„Sehr konservative Schätzung“
Doch selbst diese wenig ermutigenden Prognosen sind wahrscheinlich noch zu niedrig gegriffen: Die Forscher selbst betonen, dass es sich um eine sehr konservative Schätzung handelt: „Wir sind bei unseren Prognosen davon ausgegangen, dass die Beschleunigungs-Raten der letzten 25 Jahre auch in Zukunft so bleiben“, sagt Nerem. „Angesichts der großen Veränderungen, die wir schon heute an den Eisdecken sehen, ist das aber nicht sehr wahrscheinlich.“
Ursache der Beschleunigung im Pegelanstieg ist vor allem die Eisschmelze in Grönland und der Antarktis, wie die Wissenschaftler berichten. Aus den Schwerefeld-Daten des GRACE-Satelliten geht hervor, dass diese Regionen in den letzten Jahren immer mehr Masse verlieren. Der zunehmende Einstrom des Schmelzwassers ins Meer treibt den Meeresspiegel-Anstieg immer weiter an.
„Diese Ergebnisse sind ein Paradigmenwechsel in der Klimadiskussion“, betont Koautor Gary Mitchum von der University of South Florida. „Denn die bisher nur von den Modellen vorhergesagte Beschleunigung ist nun durch direkte Beobachtungen bestätigt.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2018; doi: 10.1073/pnas.1717312115)
(University of Colorado at Boulder, 13.02.2018 – NPO)