Ökologie

CO2-Lecks vertreiben Meeresbewohner

Gaslecks in unterirdischen CO2-Speichern könnten Ökosysteme massiv verändern

Natürliche CO2-Quellen zeigen Forschern, wie Gaslecks Lebensgemeinschaften am Meeresgrund beeinflussen könnten. © HYDRA/ C. Lott

Leck mit Folgen: Weltweit erforschen Wissenschaftler derzeit CO2-Speicher unter dem Meeresboden. Doch wenn diese Lager für das Treibhausgas ein Leck bekommen, könnte das für die betroffenen Ökosysteme schlecht ausgehen. Denn durch die erhöhten Kohlendioxidwerte verändert sich die Lebensgemeinschaft am Meeresgrund massiv – und erholt sich auch nicht mehr, wie eine Feldstudie an natürlichen CO2-Quellen zeigt.

Tag für Tag setzt die Menschheit fast 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre frei – trotz weltweiter Klimaschutzbemühungen. Angesichts der schleppenden Fortschritte in Sachen CO2-Emissionen plädieren immer mehr Forscher dafür, das klimaschädliche Treibhausgas auch durch technische Lösungen aus der schützenden Hülle um unseren Planeten zu entfernen: zum Beispiel mithilfe des sogenannten Carbon Capture and Storage (CCS).

Bei dieser Methode wird das CO2 aus Abgasen oder der Luft isoliert und anschließend tief im Untergrund gelagert – etwa unter dem Meeresboden. Vereinzelt gibt es solche CCS-Anlagen schon jetzt, unter anderem vor der norwegischen Küste. Doch das Verfahren ist nicht ohne Risiko. Denn die Lagerstätten können undicht werden und das in großen Mengen weggesperrte Gas dann auf einen Schlag in die Umwelt entweichen.

Es sprudelt CO2

Was aber passiert, wenn CO2 durch ein Leck aus dem Meeresboden austritt? Das haben Forscher um Massimiliano Molari vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen nun vor der Küste Siziliens untersucht. Dort gibt es natürliche CO2-Quellen, die ein solches Szenario perfekt simulieren. An ihrem Beispiel lässt sich beobachten, was austretendes Kohlendioxid mit den Bewohnern des Meeresbodens und deren Lebensraum macht.

Um dies zu untersuchen, verglichen die Wissenschaftler das dortige Ökosystem mit nahegelegenen Standorten ohne CO2-Austritt. Zusätzlich versetzten sie Sand von einem versauerten Standort zu einem unbeeinflussten. Wie würden die Bodenbewohner reagieren und würden sie sich an die neue Umgebung anpassen können?

Es sprudelt CO2: Wie verändern erhöhte Kohlendioxidwerte das Ökosystem am Meeresboden?© HYDRA Institut für Meereswissenschaften

Drastischer Artenverlust

Es zeigte sich: Erhöhte Kohlendioxidwerte verändern ein Ökosystem massiv. Während Algen von dem aufsteigenden Gas profitieren, werden viele kleinere und größere Tiere durch das austretende Kohlendioxid vertrieben. Ihre Anzahl und Vielfalt nahm bei steigenden CO2-Werten deutlich ab, wie die Forscher berichten. Die Biomasse der Tiere sank demnach auf ein Fünftel, obwohl durch das vermehrte Algenwachstum eigentlich mehr Nahrung vorhanden war.

Die Zahl der Mikroorganismen war an den unterschiedlichen Standorten zwar gleich. Doch ihre Zusammensetzung veränderte sich substanziell. Insgesamt verkleinert sich die Lebensgemeinschaft am Meeresboden durch die CO2-Quellen drastisch, so das Fazit der Untersuchung. Es bleiben wenige Arten, die mit den besonderen Bedingungen besser klarkommen.

Kein Erholungseffekt

Von den Folgen der Versauerung scheint sich ein Ökosystem zudem nur schwer oder gar nicht erholen zu können, wie die Umsiedlungsversuche zeigten: „Selbst ein Jahr, nachdem Sediment von den CO2-Quellen in nicht-beeinflussten Meeresboden versetzt worden war, hatte sich dessen typische Sandbodengemeinschaft dort nicht eingestellt“, berichtet Molari. Für den Forscher ist das ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Funktion des Ökosystems dauerhaft gestört ist.

„Ein Leck in einem Kohlenstoffspeicher unter dem Meer verändert grundlegend die Chemie in sandigen Meeresböden und verändert in weiterer Folge die Funktion des ganzen Ökosystems“, fasst Molari zusammen. „Es besteht also ein beträchtliches Risiko, dass ein Kohlendioxid-Leck dem Ökosystem vor Ort schadet.“

Genauer Blick bei der Planung

Dennoch können solche Kohlendioxidspeicher global betrachtet die Folgen des Klimawandels mindern, wie der Forscher betont. Was also tun? „Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass bei der Standortwahl und Planung von Kohlenstoffspeichern unter dem Meeresboden auch ein genauer Blick auf die dortigen Bewohner und ihr Ökosystem geworfen werden muss, um Schäden zu minimieren“, sagt Molaris Kollegin Antje Boetius. „Andererseits gehören zum globalen Meeresschutz auch Maßnahmen gegen die weiterhin hohen CO2-Emissionen.“ (Science Advances, 2018; doi: 0.1126/sciadv.aao2040)

(Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, 09.02.2018 – DAL)

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