Viraler Flugverkehr: Erstaunlich viele Viren werden tagtäglich in ungeahnte Höhen aufgewirbelt – bis in die freie Troposphäre. Über 2.500 Meter oberhalb der Erdoberfläche können sie Distanzen von tausenden Kilometern zurücklegen und segeln irgendwann wieder auf den Boden herab. Jeden Tag „regnet“ es mehr als 800 Millionen Viren pro Quadratmeter aus diesem Bereich der Atmosphäre, wie Forscher berichten. Dieser Transportweg erkläre auch, warum sich viele Virenarten über den ganzen Globus verbreiten konnten.
Viren sind überall: in unserem Körper, im Meer, im Boden – und in der Luft. Aufgewirbelt als blinder Passagier auf Staubkörnern oder Salzpartikeln aus dem Meer machen sich die winzigen Organismen mitunter auf eine lange Reise und gelangen dabei in ungeahnte Höhen, wie eine Studie nun zeigt.
Weißt du, wie viel Viren fliegen…?
Isabel Reche von der Universität Granada und ihre Kollegen wollten wissen, wie viele Viren bei ihrem Ausflug in die Luft bis hinter die sogenannte planetare Grenzschicht vordringen. Dieser Teil der Atmosphäre wird als freie Troposphäre bezeichnet. Er liegt oberhalb des Bereichs, wo unser Wetter entsteht, aber unterhalb der Stratosphäre, bis in die einige Düsenjets fliegen.
Für ihre Untersuchung machten sich die Forscher auf in die Sierra Nevada. Sie ist mit 3.482 Metern über dem Meeresspiegel das höchste Gebirge der Iberischen Halbinsel und liegt damit bereits im Bereich der freien Troposphäre. Hier begann das Team zu zählen: Wie viele Viren würden sie finden, die sich auf Höhen zwischen 2.500 und 3.000 Metern wieder Richtung Erde bewegten?
Vom Meer in die Atmosphäre
Das Ergebnis: ziemlich viele. Der gemessene Abwärtsstrom betrug mehr als 800 Millionen Viren pro Quadratmeter – am Tag. „Das sind 25 Viren für jeden Einwohner Kanadas“, sagt Mitautor Curtis Suttle von der University of British Columbia in Vancouver. Auch Bakterien, die durch Sandstürme oder Niederschlag gen Erde fielen, zählten die Wissenschaftler. Von diesen Mikroorganismen fanden sie jedoch deutlich weniger als von den Viren.
Eine Analyse der Mikroorganismen zeigte, dass die meisten von ihnen wohl aus dem Meer in die Atmosphäre geschleudert worden waren. Die Aerosole, die von dort in die Luft gelangen, sind besonders klein und leicht – dadurch erreichen sie oft große Höhen. Sind die Viren erst einmal in der freien Troposphäre angekommen, steht einer langen Reise nichts mehr im Weg. Denn in solchen Höhen legen Partikel in der Regel weitere Strecken zurück und brauchen länger, bis sie wieder auf der Erdoberfläche landen.
Erklärung für globale Verbreitung
Das erklärt den Wissenschaftlern zufolge auch, warum rund um den Globus genetisch identische Viren zu finden sind – ein Phänomen, über das die Wissenschaft seit rund 20 Jahren rätselt. „Es scheint durchaus denkbar, dass ein Virus auf einem Kontinent in die Atmosphäre gewirbelt wird und erst auf einem anderen wieder landet“, sagt Suttle. (ISME Journal, 2018; doi: 10.1038/s41396-017-0042-4)
(University of British Columbia, 08.02.2018 – DAL)