Neurobiologie

Macht schlechtes Licht dumm?

Schwache Beleuchtung verändert das Gehirn von Ratten

Bei schlechter Beleuchtung zu arbeiten, ist auf Dauer keine gute Idee. © Georgijevic/ iStock.com

Im Dämmermodus: Nicht nur unsere Stimmung leidet, wenn wir stundenlang in schlecht beleuchteten Räumen sitzen. Auf Dauer könnte auch unser Gehirn Schaden nehmen, wie Experimente mit Grasratten nahelegen. Bei den Nagern zeigten sich nach Wochen im Dämmerlicht deutliche Veränderungen im Hippocampus. Als Folge lernten und erinnerten sie sich schlechter. Die gute Nachricht: Durch eine intensive Licht-Kur ließ sich dieser Effekt wieder rückgängig machen.

Wenn wir bei der Arbeit stundenlang in schlecht beleuchteten, fensterlosen Büros sitzen, kann das spürbare Folgen haben: Unter dem fehlenden Tageslicht leidet mitunter die Stimmung. Zudem strengen schlechte Lichtverhältnisse die Augen an – wir werden schneller müde und bekommen womöglich Kopfschmerzen. Auch auf das allgemeine Wohlbefinden und die Schlafqualität wirkt sich der Lichtmangel negativ aus.

All das ist hinlänglich bekannt. Doch womöglich könnten ungünstige Lichtverhältnisse noch viel weitreichendere Konsequenzen haben: Joel Soler von der Michigan State University in East Lansing und seine Kollegen haben nun Hinweise darauf gefunden, dass schlechtes Licht auf Dauer sogar die Struktur des Gehirns – und damit unsere Denkleistung – beeinträchtigen kann.

Erinnerungsvermögen leidet

Für ihre Studie setzten die Wissenschaftler afrikanische Grasratten der Art Arvicanthis niloticus vier Wochen lang tagsüber nur sehr schwachem Licht mit einer Stärke von 50 Lux aus. „Das entspricht einem dunklen Wintertag oder einer typischen Innenraumbeleuchtung“, sagt Solers Kollege Antonio Nunez. Wie würde sich der Lichtentzug auf die kognitiven Fähigkeiten der tagaktiven Nager auswirken?

Es zeigte sich: Nach der langen Phase im Dämmerlicht schnitten die Tiere bei einem Navigationstest, bei dem sie sich die räumliche Position einer unter Wasser versteckten Plattform merken mussten, deutlich schlechter ab als zuvor. Normalerweise lernen Nager bei solchen Tests sehr schnell. Der Lichtmangel schien ihrem Erinnerungsvermögen jedoch geschadet zu haben.

Drastische Veränderung im Gehirn

Der Grund für diesen Leistungsabfall offenbarte sich bei einem Blick ins Gehirn der Tiere: Im Hippocampus fanden die Forscher deutlich weniger des Wachstumsfaktors BDNF. Dieses Protein fördert das Wachstum neuer Neuronen und Synapsen und stellt damit die Plastizität des Denkorgans sicher – eine wichtige Voraussetzung für Lernprozesse.

Nach Wochen im Dämmerlicht (unten) nahm die Zahl der als kleine Punkte neben der grünen Linie zu sehenden Dornenfortsätze deutlich ab. © Michigan State University

Zudem hatten die Nervenzellen in dieser Hirnregion der Ratten deutlich weniger sogenannte Dornenfortsätze. Diese Strukturen verbinden unterschiedliche Neuronen miteinander und stellen einen bedeutenden Ort der Signalübertragung dar. Kurzum: Sie ermöglichen es den Nervenzellen, miteinander zu kommunizieren.

Effekt ist wiederumkehrbar

„Diese Veränderungen verringern grundlegende Fähigkeiten, für die der Hippocampus zuständig ist: allen voran die Lernkapazität und das Erinnerungsvermögen“, sagt Soler. Womöglich erkläre sich damit auch, warum viele Menschen Probleme haben, ihr Auto im Parkhaus zu finden, nachdem sie ein paar Stunden durchs Einkaufscenter gebummelt sind.

Wer zu viel Zeit in schwach beleuchteten Räumen verbringt, droht demnach zu verdummen – vorausgesetzt, die Ergebnisse lassen sich auf den Menschen übertragen. Doch es gibt eine gute Nachricht: Im Versuch mit den Ratten war dieser Effekt wiederumkehrbar. Nach dem vierwöchigen Lichtentzug setzte das Team die Tiere in einem zweiten Durchgang tagsüber viel hellerem Licht mit einer Stärke von 1.000 Lux aus. Und siehe da: Ihr Gehirn erholte sich und sie schnitten auch im Test wieder gut ab.

Mechanismus unklar

Unklar ist bisher, wie genau das Licht auf den Hippocampus wirkt und warum sein Fehlen zu den beobachteten Effekten führt. Denn direkt auf diese Hirnregion wirkt es nachweislich nicht. Soler und seine Kollegen vermuten, dass das Licht eine Gruppe von Neuronen im Hypothalamus aktiviert, die wiederum ein Peptid namens Orexin produzieren – eine Substanz, die vielfältige Hirnfunktionen beeinflusst.

In einem nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler daher testen, ob die negativen Effekte ausbleiben, wenn im Dämmerlicht gehaltenen Nagern dieser Stoff künstlich verabreicht wird. Die Erkenntnisse könnten sich künftig zum Beispiel auf die Behandlung von Menschen mit Grünem Star oder anderen Erkrankungen auswirken, in deren Auge erkrankungsbedingt kaum noch Licht dringt. „Womöglich können wir diese Gruppe von Neuronen bei Patienten direkt stimulieren und ihnen damit den gleichen Nutzen bringen, den helles Licht normalerweise hat“, schließt Solers Kollegin Lily Yan. (Hippocampus, 2017; doi: 10.1002/hipo.22822)

(Michigan State University, 07.02.2018 – DAL)

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