Mega-Eruption im Pazifik: Einer der größten Unterwasser-Ausbrüche der letzten 100 Jahre war noch dramatischer als bisher angenommen. Bei der Eruption des Havre-Vulkans im Jahr 2012 schleuderten seine 14 Schlote zusammen mehr Material aus als der Mount St.Helens., wie eine Expedition zur Untersee-Caldera nun enthüllt. Drei Viertel davon jedoch trieben als gigantisches Bimssteinfloß davon, wie die Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten.
Am 18. Juli 2012 bemerkten Passagiere eines Flugs über den Südwest-Pazifik unter sich etwas Ungewöhnliches: Auf der Meeresoberfläche schwamm ein gigantisches Floß aus Bimsstein – einem porösen, häufig bei Vulkanausbrüchen entstehenden Gestein. Da weit und breit kein Land in Sicht war, musste dieser Bimsstein vom Meeresgrund stammen – aus der Eruption eines Unterwasser-Vulkans.
Ausbruch der Superlative
Als Forscher die Driftrichtung des 400 Quadratkilometer großen Bimsstein-Floßes rekonstruierten, konnten sie den Ort dieser unterseeischen Eruption ermitteln: Der Ausbruch hatte sich am Havre-Untersee-Vulkan im Kermanedec-Bogen nordöstlich von Neuseeland ereignet. In dieser Region taucht die Pazifische Erdplatte unter die Australische Platte ab und bildet dabei eine ganze Kette von Vulkanen.
„Wir wussten schnell, dass hier ein gewaltiger Ausbruch stattgefunden haben muss“, erklärt Rebecca Carey von der University of Tasmania in Hobart. „Ihr Ausmaß entsprach den größten Eruptionen, die wir im 20. Jahrhundert an Land gesehen hatten.“ Allein die in 900 bis 1.220 Metern Tiefe liegende Caldera des Vulkans erreichte einen Durchmesser von 4,5 Kilometern, wie Sonarmessungen eines Forschungsschiffs enthüllten.
Abtauchen in die Caldera
Doch wie groß dieser unterseeische Ausbruch tatsächlich war und wie er ablief, haben Carey und ihre Kollegen erst jetzt mit der ersten Unterwasser-Expedition zum Havre-Vulkan herausgefunden. Das internationale Team nutzte sowohl einen autonomen als auch einen ferngesteuerten Tauchroboter, um die Caldera zu erkunden und zu kartieren. Die Roboter brachten zudem Proben des vulkanischen Materials an die Oberfläche
Schon die ersten detaillierteren Daten vom Meeresgrund sorgten für Überraschung: „Als wir uns die Aufzeichnungen des Tauchroboters anschauten, sahen wir all diese Buckel auf dem Meeresgrund – Ich dachte, das Sonar des Roboters ist gestört, berichtet Careys Kollege Adam Soule. „Es stellte sich heraus, dass jeder dieser Buckel ein gigantischer Block Bimsstein war, einige davon waren so groß wie ein Lastwagen. Ich hatte noch nie zuvor etwas Ähnliches auf dem Meeresgrund gesehen.“
Bimssteinbrocken so groß wie ein Lastwagen
Ungewöhnlich auch: Die vulkanischen Ablagerungen hatten eine weitaus komplexere Struktur als von den Forschern erwartet. „Das auffälligste Merkmal sind große Zonen, in denen sich raues und glattes Terrain abwechseln“, berichten die Forscher. Nähere Untersuchungen ergaben, dass die rauen Zonen aus einer durchgehenden Schicht aus den gewaltigen Bimssteinbrocken bestehen.
„Diese sehr spröden und leicht zerfallenden Brocken sind in bis zu vier Lagen übereinander gestapelt“, so die Wissenschaftler. Wie sie erklären, muss dieser Bimsstein sehr langsam und sachte auf den Meeresboden abgesunken sein, sonst wären diese porösen Brocken nicht ganz geblieben. Denn bereits bei dem Versuch, einige Bimssteinbrocken mit dem Tauchroboter zu bergen, zerbröselte das poröse Gestein den Forschern sozusagen zwischen den Fingern.
Lava aus 14 Schloten
Doch der Bimsstein war nicht alles: Die Aufnahmen der Tauchroboter enthüllten, dass beim Ausbruch des Havre-Vulkans aus mindestens 14 Schloten Lava ausgetreten ist. Die erkalteten Lavaströme sind noch heute als bis zu 500 Meter breite und 30 Meter hohe Lavazungen am Süd- und Südwestrand der Caldera zu erkennen, wie die Forscher berichten. Dort liegen auch mehrere große Lavadome.
Wie die Forscher ermittelten, müssen beim Ausbruch des Havre rund 0,21 Kubikkilometer Magma in Form von Lavaströmen und Lavadomen ausgetreten sein. Einige der Lavaströme lösten bei der Eruption offenbar auch größere Erdrutsche aus: An der Vorderseite einiger Lavazungen entdeckten die Forscher Gerölle Ablagerungen, die von abgerutschtem Untergrundmaterial stammen.
Komplexer als erwartet
Zusammengenommen belegen diese Beobachtungen, dass der Ausbruch des Havre-Vulkans deutlich komplexer war als zunächst angenommen. Statt einer explosiven Eruption, die fast nur Bimsstein ausschleuderte, produzierte der Untersee-Vulkan eine komplexe Mischung aus Asche, Bimsstein sowie flüssiger und zähflüssiger Lava. „Wir glauben, dass von diesem Magma fast nichts so ausgeschleudert wurde, wie wir es bei ähnlichen Vulkantypen an Land kennen“, sagt Soule.
Nach Schätzung der Wissenschaftler förderte der Havre-Vulkan insgesamt eineinhalbmal mehr Material zutage als der Ausbruch des Mount St Helens im Mai 1980 in den USA. 75 Prozent davon jedoch bestand aus Bimsstein, der mit den Meeresströmungen davon driftete. Er ist heute am Ort der Eruption nicht mehr nachweisbar.
Das aber bedeutet: Hätte man nicht durch Zufall beim Ausbruch das gigantische Bimssteinfloß bemerkt, wäre das wahre Ausmaß der Eruption verborgen geblieben. Bei anderen Untersee-Ausbrüchen könnte dies ähnlich sein, wie die Forscher betonen.
Extrem seltener Typ
Spannend auch: Der Havre-Vulkan gehört zu einem besonders seltenen und wenig untersuchten Typ von Untersee-Vulkanen. Denn er fördert statt des für ozeanische Kruste typischen basaltischen Magmas eine sehr silikatreiche rhyolitische Gesteinsschmelze. Diese entsteht normalerweise nur in Kontinentalplatten oder an besonders großen, dicken Inselbögen. Am Meeresgrund sind diese silikatischen Vulkane daher entsprechend selten.
„Bisher gab es keinen solchen Vulkan, bei dem die Folgen einer submarinen Eruption unmittelbar nach dem Ausbruch untersucht und kartiert werden konnten, betonen Carey und ihre Kollegen. Erst beim Havre-Vulkan gelang es ihnen endlich, einen dieser ungewöhnlichen Feuerberge auf frischer Tat zu ertappen. (Science Advances, 2018; doi: 10.1126/sciadv.1701121)
(Woods Hole Oceanographic Institution, AAAS, 15.01.2018 – NPO)