Einmal pro Woche reicht: Künftig könnte die HIV-Therapie einfacher und bequemer werden. Denn Forscher haben eine neuartige Kombi-Pille entwickelt, die nur noch einmal wöchentlich geschluckt werden muss – statt der bisher täglichen Tablettendosis. Dank ihrer speziellen Konstruktion gibt die Kapsel verschiedene antivirale Wirkstoffe in zeitlich gestaffelten Dosen frei. Erste Tests bei Schweinen waren bereits erfolgreich, bald sollen klinischen Studien mit Menschen folgen.
Das Aids-Virus grassiert noch immer, vor allem in Afrika. Doch im Gegensatz zu den 1980er Jahren ist eine HIV-Infektion heute kein Todesurteil mehr: Zwar gibt es bis heute kein echtes Heilmittel oder eine Schutzimpfung, dafür lässt sich die Vermehrung des HI-Virus im Körper effektiv hemmen. Moderne antivirale Medikamente verringern die Virenlast sogar so stark, dass HIV-Positive nicht mehr ansteckend sind.
Das Problem ist das Durchhalten
Allerdings: Die Bekämpfung von HIV ist trotzdem nicht überall erfolgreich. Allein im Jahr 2015 steckten sich 2,1 Millionen Menschen neu mit dem HI-Virus an. Einer der Gründe dafür: Die HIV-Therapie ist nur dann effektiv, wenn HIV-Infizierte die Tabletten lebenslang und täglich in der korrekten Dosis einnehmen – und daran hapert es oft.
„Eine der Hauptbarrieren für eine erfolgreiche Behandlung und Vorbeugung von HIV ist die mangelnde Einhaltung des Therapie-Regimes“, erklären Ameya Kirtane vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge und seine Kollegen. „Im Durchschnitt halten nur rund 70 Prozent der Patienten dies durch – und dies sowohl in reichen wie in armen Ländern.“
Eine ganze Pillenbox in einer Kapsel
Doch das könnte sich bald ändern. Denn Kirtane und seine Kollegen haben eine Kombi-Pille entwickelt, die das tägliche Pillenschlucken überflüssig macht. Stattdessen könnte es künftig reichen, wenn HIV-Infizierte einmal pro Woche diese Spezial-Kapsel schlucken. Sie kann bis zu sechs verschiedene Wirkstoffe enthalten und diese nach und nach abgeben.
„Im Prinzip ist dies, als wenn man eine ganze Pillenbox in diese Kapsel packt“, erklärt Seniorautor Giovanni Traverso vom MIT. „Man hat Kammern für jeden Tag der Woche in einer einzigen Kapsel.“ Statt die antiviralen Medikamente einzeln schlucken zu müssen, sorgt die im Magen liegende Kapsel von selbst dafür, dass die Wirkstoffe in der korrekten Dosis und Reihenfolge freiwerden.
Ein Stern mit sechs Containern
Möglich wird dies durch ein raffiniertes Design der Kombi-Kapsel. Sie besteht aus einem sternförmigen Polymergerüst, dessen sechs Arme zu Wirkstoffcontainern umfunktioniert sind. Wann diese Container ihren Inhalt freigeben, bestimmt die Polymerzusammensetzung ihrer Verschlusshäutchen: Je schneller sich das Polymer in der Magensäure löst, desto früher wird das Mittel frei.
Der Clou dabei: Im Ausgangszustand sind alle Arme eingeklappt, so dass die Kapsel problemlos geschluckt werden kann. Sie ist nur etwa so groß wie eine Fischöl-Kapsel. Im Magen angekommen, faltet sich der Stern jedoch auf und verhindert so seinen Weitertransport durch den Darm. Im Verlauf von mehreren Tagen gibt diese Kapsel dann ihre Wirkstoffe ab, bevor sie selbst zerfällt und ausgeschieden wird.
Test mit Schweinen erfolgreich
Für ihren ersten Test dieser Kombi-Kapsel befüllten die Forscher sie mit den drei gängigen antiretroviralen Wirkstoffen Dolutegravir, Rilpivirin und Cabotegravier. Dann verabreichten sie die Kapsel Schweinen und untersuchten, wie gut die Freigabe der HIV-Mittel funktionierte und in welchen Zeitverläufen die Konzentrationen dieser Mittel im Blut der Tiere anstiegen.
Das Ergebnis: Wie geplant, gab die Kapsel die antiviralen Wirkstoffe nach und nach im Verlauf einer Woche ab. „Dieses Dosiersystem funktionierte in diesem Tiermodell genauso gut oder sogar besser als die bisherigen täglichen Dosen der HIV-Therapie“, berichtet Traverso. Zumindest bei Schweinen funktioniert die neue Kombi-Pille demnach bereits.
Bald auch für Menschen?
Die Forscher sind optimistisch, dass ihre Kombi-Pille auch beim Menschen funktionieren wird. „Wir sind angesichts unserer bisherigen Ergebnisse sehr zuversichtlich, sagt Koautor Robert Langer vom MIT. „Die klinische Anwendung dieser Strategie könnte einen Paradigmenwandel in der HIV-Therapie und Prävention bedeuten.“ Denn wenn die Einnahme nicht mehr täglich erfolgen muss, verbessert sich erfahrungsgemäß auch die Therapietreue der Patienten.
Allein die Umstellung auf eine nur noch wöchentliche Einnahme der HIV-Medikamente könnte die Effizienz der HIV-Therapie um 20 Prozent erhöhen, wie die Forscher mit einem mathematischen Modell ausrechneten. Allein in Südafrika könnten dadurch in den nächsten 20 Jahren zwischen 200.000 und 800.000 Neuinfektionen vermieden werden, so ihre Prognose. (Nature Communications, 2018; doi: 10.1038/s41467-017-02294-6)
(Massachusetts Institute of Technology, 10.01.2018 – NPO)