Medizin

Gesicht verrät Infektion

Wir erkennen an unbewussten Signalen, ob ein Mitmensch krank ist

Ob unser Gegenüber mit einer Infektion kämpft, können wir oft schon am Gesicht ablesen. © Pixland/ iStock.com

Subtile Signale: Wir erkennen eine Infektion schon am Gesicht unserer Mitmenschen – und das selbst dann, wenn sie sich nicht offensichtlich krank verhalten. Wie ein Experiment belegt, registrieren wir unbewusst Krankheitssignale wie blasse Haut und Lippen oder einen leicht verhangenen Blick. Möglicherweise hat sich dieses Gespür für die Krankheit anderer entwickelt, um uns selbst vor Ansteckung zu schützen, mutmaßen die Forscher.

Unser Gesicht verrät einiges über uns und unsere Persönlichkeit – so glauben wir jedenfalls. Wir schließen aus der Gesichtsform unseres Gegenübers unbewusst auf Eigenschaften wie Egoismus, Treue oder Durchsetzungsvermögen. Auch die Pupillen oder der Teint beeinflussen unsere Reaktion. Wie aussagekräftig dieser unbewusste Face-ism wirklich ist, ist allerdings hoch umstritten – auch, weil unsere Wahrnehmung stark von Vorurteilen beeinflusst ist.

Wie erkennen wir kranke Mitmenschen?

Schon länger spekulieren Forscher darüber, ob wir unseren Mitmenschen möglicherweise noch etwas anderes am Gesicht ablesen können: eine potenziell ansteckende Infektion. Von Tieren ist bereits bekannt, dass sie kranke Artgenossen schon am Geruch identifizieren und diese dann meiden – das schützt sie vor einer Ansteckung.

Theoretisch liegt es nahe, dass auch der Mensch Mechanismen entwickelt hat, um kranke Personen bereits im Frühstadium einer Infektion zu identifizieren – bevor eindeutige Symptome wie Husten oder Erbrechen auftreten. „Doch bisher wissen wir fast nichts darüber, ob Menschen dies können und an welchen Merkmalen sie dies erkennen“, erklären John Axelsson von der Universität Stockholm und seine Kollegen. Ob das Gesicht dabei eine Rolle spielt, haben sie daher nun in einem Experiment untersucht.

Krank im Dienst der Wissenschaft

Für das Experiment fotografierten die Forscher zunächst die Gesichter ihrer 22 Teilnehmer im gesunden Zustand. Dann ließen sich diese freiwillig per Injektion das LPS-Toxin des Darmkeims Escherichia coli verabreichen. Dieses Bakteriengift verursacht vorübergehend eine systemische Entzündungsreaktion und führt zu Übelkeit und Erbrechen. Zwei Stunden nach Injektion wurden erneut Portraitfotos aller Probanden gemacht.

Erst dann begann der eigentliche Test: 62 andere Versuchspersonen bekamen nun jeweils ein Vorher- und ein Nachher-Portrait aller Probanden in zufälliger Reihenfolge zu sehen – ohne deren Entstehungsgeschichte zu kennen. Sie sollten nun bei jedem Foto angeben, ob sie diese Person eher für gesund oder krank halten.

Blasse Lippen als verräterisches Signal

Und tatsächlich: Die Testpersonen tippten in den meisten Fällen korrekt und identifizierten die künstlich krankgemachten Probanden. Ihre Trefferquote lag bis zu 70 Prozent, im Durchschnitt lagen sie bei 62 Prozent der Fotos richtig. „Das demonstriert, dass selbst ungeübte Personen akut erkrankte Menschen allein durch den wenige Sekunden langen Anblick eines Portraitfotos identifizieren können“, konstatieren die Forscher.

In einem zweiten Durchgang mit 60 weiteren Testpersonen erfragten die Wissenschaftler neben dem Gesundheitszustand der Dargestellten gezielt nach bestimmten Merkmalen der Gesichter. Dabei zeigte sich: Vor allem eine blasse Haut, ein verhangener Blick und blasse Lippen scheinen die Signale zu sein, an denen wir unbewusst eine Krankheit bei unserem Gegenüber erkennen. Auch der allgemeine Eindruck der Erschöpfung trägt offenbar zum, kranken Eindruck bei.

Zum eigenen Schutz

„Unsere Ergebnisse stützen die Annahme, dass Menschen die Fähigkeit besitzen, Krankheitssignale bei anderen schon in einer frühen Phase einer Infektion zu erkennen“, sagen

Axelsson und seine Kollegen. Aus Sicht der Evolution hat eine solche Früherkennung klare Vorteile: Gerade kurz nach der Infektion ist das Risiko für eine Ansteckung meist besonders hoch. Wenn wir unbewusst den nahen Kontakt mit frisch erkrankten Personen meiden, schützt uns dies daher davor, ebenfalls krank zu werden. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2018; doi: 10.1098/rspb.2017.2430)

(Royal Society, 03.01.2018 – NPO)

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