Sturz durch Stolz: Einem Spruch aus der Bibel zufolge kommt Hochmut vor dem Fall – doch gilt das auch für das Sturzrisiko von Senioren? Eher nicht, legt nun eine britische Langzeitstudie nahe. Demnach scheinen Stolz und ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein die Gefahr von Stürzen im Gegenteil sogar zu minimieren. Wie dieser Zusammenhang zustande kommt, ist jedoch noch unklar.
Stürzen ältere Menschen im Haushalt oder im Straßenverkehr, hat das häufig schwerwiegende Folgen. Viele Betroffene erholen sich nach schweren Verletzungen nur mühsam – oder sterben sogar daran. Ausgerechnet diese Altersgruppe ist es jedoch, die für Stürze auch besonders anfällig ist. Denn mit fortschreitendem Alter nimmt die Stabilität der Knochen ab, die Muskulatur wird schwächer und die Seh- und Hörfähigkeiten lassen nach.
Dies führt zu einer allgemeinen Unsicherheit beim Stehen und Gehen sowie zu einer verminderten Reaktionsschnelligkeit. Kommen dann noch neurologische Erkrankungen oder Nebenwirkungen durch Medikamente hinzu, steigt das Sturzrisiko zusätzlich. Unabhängig von solchen physischen Einschränkungen spielen jedoch auch psychische Faktoren eine Rolle: Sind Senioren beispielsweise extrem unsicher und haben ständig Angst zu fallen, stürzen sie tatsächlich öfter.
Biblisch inspirierte Forschungsfrage
Doch könnte umgekehrt auch zu viel Selbstbewusstsein das Sturzrisiko erhöhen – oder frei nach dem biblischen Spruch aus dem Alten Testament ausgedrückt: Kommt Hochmut wirklich vor dem Fall? Diese Frage haben sich nun Wissenschaftler um David McMinn von der University of Aberdeen gestellt. Ihre These: Sind ältere Menschen besonders stolz und schätzen ihre eigenen Fähigkeiten unrealistisch hoch ein, bringen sie sich womöglich häufiger in brenzlige Situationen.
Um herauszufinden, ob das stimmt, werteten die Forscher Daten aus einer britischen Langzeitstudie mit mehr als 6.400 Senioren aus. Für die Untersuchung wurden die Probanden, die zu diesem Zeitpunkt 60 Jahre oder älter waren, im Jahr 2010 befragt, wie stolz sie sich in den vergangenen 30 Tagen gefühlt hatten und ob sie in den letzten zwei Jahren gestürzt waren. Mehr als 4.900 Teilnehmer konnten McMinn und seine Kollegen fünf Jahre später erneut zu ihrer Sturzgeschichte befragen.
Nach dem Hochmut kommt kein Fall
Die Auswertung zeigte: Ob sich jemand sehr stolz und selbstbewusst, nur ein bisschen stolz oder gar nicht stolz fühlte, machte für das Sturzrisiko tatsächlich einen Unterschied – allerdings anders als gedacht. Denn je größer der „Hochmut“, desto geringer war das individuelle Risiko der Probanden. Ein hohes Stolz-Level bei der ersten Befragung reduzierte das Risiko, in den zwei Jahren vor der zweiten Befragung zu fallen, um immerhin 19 Prozent.
Dieser Zusammenhang blieb auch bestehen, nachdem die Wissenschaftler Faktoren wie Geschlecht, Alter und weitere Aspekte herausgerechnet hatten. „Im Gegensatz zu dem wohlbekannten Spruch ‚Hochmut kommt vor dem Fall‘, legen unsere Ergebnisse nahe, dass Hochmut tatsächlich ein schützender Faktor gegen Stürze im Alter sein könnte“, schließt das Team. Es seien jedoch weitere Studien nötig, um zu klären, wie dieser Zusammenhang zustande kommt. (BMJ, 2017; doi: 10.1136/bmj.j5451)
(The BMJ Christmas editions, 22.12.2017 – DAL)