Geowissen

Mars: Dampfbad statt Ozeane?

Tonminerale des Roten Planeten könnten auch ohne flüssiges Wasser entstanden sein

Der junge Mars: Seine Tonminerale könnten durch Wasserdampf statt flüssiges Wasser entstandne sein. © Kevin Cannon

Gab es auf dem Mars doch keine Seen und Ozeane? US-Forscher haben das wichtigste Indiz für solche Gewässer jetzt entscheidend geschwächt. Denn sie weisen nach, dass die marsianischen Tonminerale auch durch den Kontakt des Gesteins mit Wasserdampf entstanden sein könnten. Und ein solches „Dampfbad“ könnte der Rote Planet beim Erstarren seines Magmaozeans durchlebt haben, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Wie warm und lebensfreundlich war der Mars in seiner Anfangszeit? Über diese Frage streiten die Planetenforscher schon seit Jahren. Einerseits sprechen gewaltige Schluchten, Flusstäler und an vielen Stellen abgelagerte Tonminerale dafür, dass es auf dem Roten Planeten einst flüssiges Wasser gab – vielleicht sogar genug für eine ganzen Ozean.

Rätsel um die Tonminerale

Andere Beobachtungen jedoch wecken Zweifel daran, dass die Marsatmosphäre und das Marsklima jemals warm genug waren, um längerfristig lebensfreundliche Bedingungen zu schaffen. Einige Forscher vermuten inzwischen sogar, dass nicht Wasser, sondern reißende Lavaströme die großen Canyons des Planeten schufen.

Doch wie wäre dann das verbreitete Vorkommen der Tonminerale auf dem Mars zu erklären? Diese sogenannten Phyllosilikate finden sich an tausenden von Orten auf der Marsoberfläche, darunter vor allem den Gebieten, in denen Kruste aus der Anfangszeit des Planeten zutage tritt. Weil sich solche Tonminerale nur in Anwesenheit von Wasser bilden, galten sie bisher als klarer Beleg für urzeitliche Seen und Flüsse auf dem Mars.

Wasserdampf aus dem Magmaozean

Dem jedoch widersprechen nun Kevin Cannon und seine Kollegen von der Brown University. Sie haben in Laborexperimenten und Computermodellen herausgefunden, dass die Phyllosilikate auch auf ganz andere Weise entstanden sein können: durch Wasserdampf. Dieser könnte in der Anfangszeit des Planeten die Marsatmosphäre vorübergehend in ein wahres Dampfbad verwandelt haben.

Für das "Dampfbad" spricht die weite Verbreitung der Tonminerale gerade in alter Marskruste © Kevin Cannon

Das Szenario beginnt in der Zeit, als der Magmaozean des jungen Planeten Mars allmählich abkühlte und erstarrte. „Dabei gasten zuvor gelöstes Wasser und Kohlendioxid aus und bildeten eine dichte, superkritische Wasserdampf-Atmosphäre“, berichten die Forscher. Der mehrere Millionen Jahre lang anhaltende Kontakt mit dem Dampf löste dann im Basaltgestein der Marskruste die chemischen Reaktionen aus, die die Tonminerale schufen.

Marsgestein im Dampfkochtopf

Cannon und seine Kollegen haben dieses Szenario mit Laborexperimenten und einem Computermodell überprüft. Für ersteres synthetisierten sie zunächst Gesteinsproben, deren chemische Zusammensetzung der des marsianischen Basalt entsprach. Diese Proben setzten sie dann zwei Wochen lang in einer Art Dampfkochtopf den Bedingungen aus, wie sie auf dem jungen Mars geherrscht haben könnten.

Das Ergebnis: Schon in dieser kurzen Zeit waren in den Basaltproben Tonminerale entstanden. Strukturanalysen belegten, dass dabei Minerale gebildet wurden, die Vorstufen der auf dem Mars existierenden darstellen. „Es war erstaunlich wie schnell und umfassend der Basalt verändert wurde“, sagt Cannon. „Dies belegt, dass die Bedingungen am Übergang von Marskruste zu Dampfatmosphäre den Basalt sehr effizient zu Tonmineralen verwittern konnten.“

Einschläge von Meteoriten könntne die Tonmierale freigelegt haben. in dieser Falschfarbenaufnahme sind sie als bläuliche Zonen in einem Krater und einem Tal zu erkennen. © NASA/JPL-Caltech/ JHUAPL

Freigelegt durch Meteoriten

Wie die Computersimulation der Forscher ergab, könnte auf dem jungen Mars durch ein solches „Dampfbad“ eine bis zu drei Kilometer dicke Tonmineral-Schicht entstanden sein. Später wurde der größte Teil dieser ursprünglichen Marskruste durch Vulkanausbrüche und verwittertes Gesteinsmaterial überdeckt. Die Einschläge größerer Meteoriten legten jedoch an vielen Stellen die Tonschicht wieder frei.

„Eine solche primordiale, durch Einschläge freigelegte Tonschicht könnte die heutige fleckige Verteilung der marsianischen Tonminerale gut erklären“, sagen die Wissenschaftler. „Auch die Häufung dieser Minerale in den Hellas-, Argyre- und Isidis-Becken passt gut dazu.“ Auch der Nachweis von Phyllosilikaten in einigen Wandbereichen der Valles Marineris sei durch einen solchen nachträglichen Transport erklärbar.

„Plausible Erklärung“

„Damit wollen wir nicht ausschließen, dass einige Tonminerale nicht auch durch andere Mechanismen entstanden sein können“, betont Cannons Kollege Jack Mustard. „Auch oberflächliche Verwitterung und andere Prozesse haben sich sicherlich während der Marsgeschichte abgespielt. Wir halten unser Szenario aber für einen plausiblen Weg, um die große Menge und Verbreitung des Tons in den ältesten Krustenteilen des Mars zu erklären.“

Tatsächlich sind Cannon und seine Kollegen nicht die ersten, die eine Bildung der marsianischen Tonmineralen auch ohne die Präsenz von Gewässern postulieren: Bereits 2012 wiesen Forscher nach, dass solche Schichtsilikate auch in wasserhaltiger Lava bei Vulkanausbrüchen entstanden sein könnten.

Beweis durch nächsten Marsrover?

Ob der Mars tatsächlich „nasse“ Eruptionen oder gar ein urzeitliches Dampfbad erlebte, könnte sich sogar relativ bald nachweisen lassen: „Ich bin optimistisch, dass wir mit einer vom Mars zurückgebrachten Probe oder sogar mit dem Analysegeräten eines Rovers unterschieden können, ob die Tonminerale durch diesen primordialen Prozess oder aber andere Mechanismen entstanden sein“, sagt Cannons Kollege Steve Parman.

Den entscheidenden Test könnte vielleicht schon der NASA-Rover Mars 2020 durchführen. Er soll erstmals auch tiefere Bohrkerne auf dem Mars gewinnen und diese in einem Depot zwischenlagern. Eine Folgemission könnte dann diese Proben zurück zur Erde bringen. „Je nachdem, wo dieser Rover landen wird, könnten wir durch ihn die richtigen Proben für diese Fragestellung bekommen“, meint Mustard. (Nature, 2017; doi: 10.1038/nature24657)

(Brown University, 07.12.2017 – NPO)

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