Medizin

Impfung: Auf die Methode kommt es an

Die gängigen intramuskulären Injektionen sind weniger effektiv als angenommen

Meist bekommen wir bei einer Impfung eine Spritze in den Armmuskel oder den Po - aber das könnte weniger effektiv sein als andere Impftechniken. © Don Stevenson/ iStock.com

Haut statt Muskel: Die bei Impfungen gängige Spritze in den Arm oder Po ist weniger effektiv als gedacht. Denn ausgerechnet im Muskelgewebe sind entscheidende Zellen des Immunsystems eher dünn gesät, wie Forscher herausgefunden haben. Deutlich effektiver könnte die Immunisierung dagegen ausfallen, wenn der Impfstoff unter die Haut gespritzt oder inhaliert wird. Schon niedrigere Impfstoff-Dosen könnten dann die gleiche Wirkung bringen.

Ob Masern, Kinderlähmung oder Influenza – gegen viele gefährliche Infektionskrankheiten kann eine Impfung schützen. Dabei werden uns abgetötete Erreger oder Fragmente von ihnen verabreicht. Unser Immunsystem erkennt diese Antigene als fremd und löst eine Abwehrreaktion aus, bei der Antikörper gegen den Erreger gebildet werden. Gleichzeitig „merkt“ sich die Abwehr die Merkmale des Erregers – und ist so gegen eine echte Infektion gewappnet.

Am Anfang stehen die dendritischen Zellen

Doch wie wirksam eine Schutzimpfung ist, hängt auch davon ab, wie effektiv diese Mobilisierung der Immunabwehr ausfällt. Dafür aber scheint die Impfmethode eine entscheidende Rolle zu spielen, wie nun Adam Williams von der Yale University und seine Kollegen herausgefunden haben. Für ihre Studie hatten sie zunächst untersucht, wie entscheidende Akteure der Immunantwort, die dendritischen Zellen, im Körper verteilt sind.

Diese Abwehrzellen haben die Aufgabe, eingedrungenen Erreger aufzuspüren und zu den Lymphknoten zu transportieren. Dort präsentiert die dendritische Zelle die Antigene des Eindringlings speziellen T-Zellen und aktiviert sie dadurch. Dies wiederum setzt eine ganze Kaskade von Reaktionen in Gang, an deren Ende die Produktion der passende Antikörper gegen den Erreger steht.

Nicht gleich im Körper verteilt

Williams und seine Kollegen haben nun in Versuchen mit Mäusen herausgefunden, dass ein bestimmter Typ von dendritischen Zellen, cDC2, für diese Immunreaktion entscheidend ist. Fehlen sie, wirkt eine Impfung nicht und die Antikörperproduktion bleibt aus. Noch wichtiger aber: Diese wichtigen Abwehrzellen sind im Körper nicht gleichmäßig verteilt.

Dendritische Zellen tragen blattartige Vorsprünge auf ihrewr Oberfläche, mit denen sie Viren und andere Erreger gut einfangen können. © National Institutes of Health (NIH)

So sind die cDC2-Zellen ausgerechnet im Muskelgewebe eher spärlich vertreten, wie die Forscher feststellten. In der Haut oder den Schleimhäuten der Atemwege und Lunge dagegen kommen diese Wächterzellen deutlich häufiger vor. „Je nach Typ sind die dendritischen Zellen nicht nur in bestimmten Regionen des Körpers konzentriert, sie wandern auch innerhalb der Lymphknoten an verschiedene Areale“, erklärt Williams.

Viel in der Lunge, wenig im Muskel

Das hat auch Auswirkungen auf die Effektivität eine Impfung: Verabreichten die Forscher Mäusen einen Impfstoff durch Inhalieren, reagierte die Abwehr schnell und ausgeprägt: Die dendritischen Zellen der Lunge transportierten die Antigene in die umliegenden Lymphknoten und lösten eine starke Produktion von Antikörpern aus.

Anders dagegen bei der bisher üblichen Injektion des Impfstoffs in den Muskel: Weil in diesem Gewebe deutlich weniger cDC2-Zellen vorhanden sind, werden weniger Abwehrzellen aktiviert und die Antikörperproduktion fällt schwächer aus. Damit trotzdem eine ausreichende Immunisierung erzielt wird, muss die Impfdosis dadurch entsprechend höher ausfallen.

Spray und Pflaster statt Spritze?

Nach Ansicht der Wissenschaftler ist daher die heutige Impfpraxis noch optimierbar. Würde man Vakzine so abwandeln, dass sie inhaliert oder unter die Haut gespritzt werden können, ließe sich die Effektivität von Schutzimpfungen steigern. Weil der Impfstoff dann besser wirkt, könnte schon eine kleinere Dosis ausreichen um die gleiche Wirkung zu erzielen – das würde auch das Risiko von Nebenwirkungen senken, so die Forscher.

Noch sind Impfstoffe zum Inhalieren oder für die intradermale Applikation eher die Ausnahme. Gegen Influenza beispielsweise gibt es bereits ein Spray als Alternative zur Spritze, das vor allem für Kinder empfohlen wird. Aber auch neuartige Technologien wie beispielsweise ein Impfpflaster könnten künftig die Spritze ablösen. In einen ersten Test immunisierte ein solches Pflaster mit Mikronadeln Probanden genauso gut wie die Spritze. (Science Immunology, 2017)

(KJackson Laboratory, 04.12.2017 – NPO)

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