Erstaunliche Fähigkeit: Tauben besitzen offenbar ein Verständnis für Symmetrie. Experimente zeigen: Die oft unterschätzten Vögel können mit hoher Treffgenauigkeit zwischen symmetrischen und asymmetrischen Mustern unterscheiden – und zwar selbst dann, wenn sie diese Muster zum ersten Mal sehen. Diese Fähigkeit könnte unter anderem für die Nahrungssuche oder die Partnerwahl von Bedeutung sein.
Tauben gelten landläufig nicht unbedingt als Ausbund der Intelligenz. Doch tatsächlich verfügen sie über erstaunliche Fähigkeiten: Obwohl ihr Gehirn nur so klein ist wie die Spitze unseres Zeigefingers, können die Vögel beispielsweise zählen, orthografische Regeln verstehen und sogar lernen, auf Gewebeschnitten Krebs von gutartigen Geschwulsten zu unterscheiden.
Juan Delius von der Universität Konstanz und seine Kollegen haben die oft unterschätzten Tiere nun erneut auf die Probe gestellt. Sie wollten wissen, ob Tauben ein Gespür für Symmetrie besitzen. „Symmetrieerkennungsfähigkeiten werden bei Sehsystemen für die Umwandlung von zweidimensionalen Netzhautabbildungen in realistischere dreidimensionale Vorstellungen eine besondere Bedeutung beigemessen“, sagt Delius. „Für Tauben mag diese Fähigkeit bei der Nahrungssuche auf optisch unruhigen Hintergründen und auch bei der Partnerwahl wichtig sein.“
Symmetrisch oder asymmetrisch?
Für ihre Studie trainierten die Wissenschaftler Tauben zunächst darauf, auf bestimmte Grafiken zu picken. Den Vögeln wurden hierzu sowohl symmetrische als auch asymmetrische Schwarz-Weiß-Muster auf Bildschirmen gezeigt. Pickten sie auf symmetrische Muster, wurden sie mit Futter belohnt. Eine zweite Gruppe von Tauben wurde auf asymmetrische Muster trainiert.
Im eigentlichen Test tauschte das Team die Grafiken gegen neue, unbekannte Muster aus, die aber ebenfalls entweder symmetrisch oder asymmetrisch angeordnet waren. Würden die Vögel auch bei diesen unbekannten Bildern zwischen Symmetrie und Asymmetrie unterscheiden können – und auf die richten Muster picken?
Tatsächlich zeigte sich: Den Tauben gelang es mit einer Trefferquote von rund 80 Prozent, die symmetrischen Muster von den asymmetrischen korrekt zu unterscheiden. Für die Forscher ist damit klar: Die Vögel haben das Prinzip der Symmetrie offenbar verstanden.
Andere Farbwahrnehmung
Bei den Vorarbeiten für ihre Untersuchung fanden Delius und seine Kollegen zudem Neues über die Farbwahrnehmung der Tiere heraus. Um sicherzustellen, dass die Tauben die grafischen Muster im Versuch korrekt und artgerecht sehen, hatten sie sich eingehend mit der Frage beschäftigt, wie die Vögel Bildschirmbilder wahrnehmen.
Dabei wurde deutlich: Tauben besitzen eine andere Farbwahrnehmung als Menschen und sehen in höheren Frequenzen, wie das Team berichtet. Ein Fernsehbild, das für einen Menschen flüssig verläuft, könnte aus Sicht der Tauben daher flackern und stocken. Dies erkläre möglicherweise widersprüchliche Ergebnisse aus früheren Studien, bei denen ebenfalls Bildschirme eingesetzt wurden, schließen die Wissenschaftler. (Plos One 2017; doi: 10.1371/journal.pone.0187541)
(Universität Konstanz, 23.11.2017 – DAL)