Sonnensystem

Mars-Rinnen: Sand statt Wasser?

Form und Verhalten der dunklen Hanglinien spricht gegen flüssiges Wasser auf dem Mars

Dunkle, sich saisonal verändernde Linien an Mars-Hängen geben Rätsel auf: Wodurch entstehen sie? © NASA/JPL-Caltech/ Univ. of Arizona

Das Rätselraten geht weiter: Die saisonal auftretenden Hanglinien auf dem Mars sind vielleicht doch keine Schmelzwasser-Rinnsale, wie bisher angenommen. Stattdessen könnten diese marsianischen Strukturen auch durch Sandlawinen verursacht worden sein – und damit komplett ohne flüssiges Wasser. Denn diese Linien ähneln in entscheidenden Merkmalen Sandrinnsalen an irdischen Dünen, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.

Schon seit einigen Jahren geben seltsame, sich verändernde Rinnen auf dem Mars Rätsel auf. Sie zeigen sich als dunkle Linien, die sich in der warmen Saison an steilen, südwärts gerichteten Kraterhängen bilden. In diesen „Recurring Slope Lineae“ (RSL) wies der Mars Reconnaissance Orbiter im Jahr 2015 erstmals Perchlorate nach – Salze, die Wasser auch unter dem Gefrierpunkt flüssig halten können. Einige Planetenforscher werteten dies als Zeichen, dass es auch heute noch flüssiges Wasser auf der Marsoberfläche geben könnte.

Wie viel Wasser fließt dort wirklich?

Wenig später jedoch lieferte der Orbiter Mars Odyssey thermische Daten, die dem zu widersprechen schienen: Sie sprachen eher für einen extrem trockenen Untergrund in den Rinnen. Experimentelle Daten deuteten auf eine weitere Möglichkeit hin: Kleine Mengen Schmelzwasser könnten in der dünnen Marsatmosphäre verdampfen und dabei Sandlawinen auslösen.

Jetzt haben Colin Dundas vom US Geological Survey (USGS) und seine Kollegen sich die Mars-Rinnen noch einmal genau angeschaut. Sie analysierten die Form, Länge und Hangneigung von 151 dieser dunklen Linien in Aufnahmen der HiRISE-Kamera des Mars Reconnaissance Orbiter (MRO). Mit Hilfe von 3D-Modellen untersuchten sie, welche physikalischen Gegebenheiten am ehesten diese Strukturen verursachen könnten.

Auffällige Merkmale

Das Ergebnis: Alle dunklen Hanglinien haben eines gemeinsam: Keine von ihnen kommt an Hängen vor, die einen flachere Neigung als etwa 27 Grad besitzen. Und keine dieser Linien reicht bis in die flacheren Ausläufer am Fuß der Kraterhänge hinab, wie die Forscher feststellten. „Die RSL fließen nicht auf flacheren Hängen und ihre Längen sind eng mit dem Neigungswinkel verknüpft“, berichtet Alfred McEwen von der University of Arizona. „Das kann kein Zufall sein.“

Auffällig: Die dunklen Linien kommen nur an den steilsten, oberen Hangbereichen vor. Hier an einem Hang im Newton Krater. © NASA/JPL-Caltech/ Univ. of Arizona

Wäre flüssiges Wasser der Urheber dieser Rinne, dann müssten wenigstens einige von ihnen auch bis in flacheres Terrain reichen, argumentieren die Forscher. Doch obwohl die Mars-Rinnen am selben Hang durchaus unterschiedlich lang und breit sein können, enden alle immer bei der gleichen Hangneigung. „Das macht es unwahrscheinlich, dass flüssiges Wasser hierfür die entscheidende Variabel ist“, konstatieren Dundas und seine Kollegen. Zudem sei es eher unwahrscheinlich, dass sich salzhaltiges Schmelzwasser ausschließlich in den oberen Hangbereichen bilde.

Eher trockener Sand als Wasser

Was aber erzeugt dann diese saisonalen Linien? Nach Ansicht von Dundas und seinen Kollegen ähnelt das Verhalten der RSL auffällig den Sandlawinen, wie sie manchmal an irdischen Dünen zu beobachten sind. Für diese ist typisch, dass sie an steilen oberen Hangabschnitten entstehen und dann bei Unterschreiten einer bestimmen Hangneigung wieder zum Stillstand kommen. „Die dunkle Färbung der Mars-Rinnen könnte durch die abweichende Korngröße und Rauigkeit der Sandlawinen verursacht werden“, sagen die Forscher.

„Wir haben gedacht, dass die RSL mögliche Wasserströme darstellen könnten, aber die Hangrinnen entsprechen eher dem, was wir bei trockenem Sand erwarten würden“, sagt Dundas. „Diese neuen Erkenntnisse stützen andere Indizien dafür, dass der Mars heute doch sehr trocken ist.“

Offene Fragen bleiben

Allerdings: Alle Eigenschaften der Mars-Rinnen lassen sich auch mit der Sandlawinen-Theorie nicht erklären, wie auch die Forscher einräumen. So bleibt unklar, warum die Hanglinien nach einer Weile verblassen, warum sie nur in der warmen Saison auftreten und welche Rolle die in diesen Rinnen nachgewiesenen Perchlorate spielen.

Möglicherweise, so spekulieren die Forscher, spielen minimale Mengen salzhaltigen Schmelzwassers zumindest zum Teil eine Rolle für das Auslösen der Sandlawinen. „Die RSL bilden sich wahrscheinlich durch einen Mechanismus, den es so nur unter den Bedingungen des Mars gibt“, sagt McEwen. „Sie repräsentieren damit eine Chance, mehr darüber zu lernen, wie der Mars funktioniert – was für eine künftige Marserkundung wichtig ist.“ (Nature Geoscience, 2017; doi: 10.1038/s41561-017-0012-5)

(USGS, NASA/JPL, 21.11.2017 – NPO)

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