Bio für alle: Auch wenn die Welt vollständig auf ökologische Landwirtschaft umsteigt, könnten künftig genug Nahrungsmittel für alle produziert werden. Das klappt jedoch nur unter ganz bestimmten Bedingungen, wie Forscher errechnet haben. Demnach braucht es entweder deutlich mehr Ackerland oder die Menschheit muss ihre Ernährung und ihr Konsumverhalten drastisch ändern. Wie realistisch das ist, bleibt unklar.
Ökologisch produzierte Lebensmittel gelten im Vergleich zu konventionell hergestellten Produkten als umwelt- und klimafreundlicher – und gesünder sollen sie auch sein. Warum also nicht ganz auf Bio umsteigen und sich selbst und der Umwelt etwas Gutes tun? Was für den Einzelnen realisierbar ist, scheint für die gesamte Weltbevölkerung ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.
Schließlich müssen im Jahr 2050 bereits neun Milliarden Menschen auf diesem Planeten ernährt werden. Das ist schon mithilfe des ganz auf die massenhafte Produktion von Lebensmitteln ausgerichteten konventionellen Anbaus eine große Herausforderung, mit der ökologischen Landwirtschaft jedoch erst recht. Denn der Bioanbau hinkt seinem konventionellen Bruder in Sachen Produktivität im Schnitt noch um 20 Prozent hinterher, wie eine Metastudie vor einigen Jahren ergab.
Umstieg auf Bioanbau
Angesichts dieser Tatsachen ist es schwer vorstellbar, dass Bio uns eines Tages alle satt machen kann. Wissenschaftler um Adrian Muller vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau im schweizerischen Frick haben nun trotzdem einen Versuch gestartet – zumindest am Computer. Die Forscher analysierten mithilfe von Modellsimulationen, ob und wenn ja wie die Weltbevölkerung allein durch biologisch produzierte Lebensmittel ernährt werden könnte.
Dabei gingen sie von der für 2050 prognostizierten Bevölkerungszahl von neun Milliarden Menschen aus und ließen unterschiedliche Klima-Szenarien in ihre Berechnungen einfließen. Außerdem untersuchten sie, wie sich ein weltweiter Umstieg auf den Ökolandbau auf die Umwelt auswirken würde.
Bis zu 33 Prozent mehr Land nötig
Das Ergebnis: Baut die Welt sämtliche Nahrungsmittel nur noch nach ökologischen Standards an, lassen sich erwartungsgemäß viele der mit der konventionellen Landwirtschaft verbundenen Probleme beheben. So ließe sich etwa die Anreicherung von überschüssigem Stickstoff vermeiden und es kämen weniger Pestizide zum Einsatz. Dadurch könnte auch die Gefahr durch zunehmend resistente Schädlinge verringert werden.
Damit die Weltbevölkerung dabei auch satt wird, müssten jedoch zusätzliche Flächen als Ackerland genutzt werden. Je nach Szenario sind im Vergleich zur konventionellen Methode 16 bis 33 Prozent mehr Land nötig, um den Hunger aller Menschen zu stillen. Das Problem: Durch die zunehmende Urbanisierung und die Erosion von Böden wird nutzbares Ackerland schon heute knapp.
Weniger Abfall, weniger Fleisch
Doch es gäbe theoretisch eine Alternative, wie die Simulationen zeigen. Denn es geht auch ohne die Umwidmung zahlreicher zusätzlicher Flächen in Ackerland – das allerdings hat seinen Preis. Der weltweite Umstieg auf 100 Prozent Bio ist in diesem Fall nur unter zwei Bedingungen zu realisieren: Erstens muss die Menschheit ihre Lebensmittelabfälle um mindestens die Hälfte reduzieren.
Das bedeutet für Entwicklungsländer vor allem, dass weniger Nahrungsmittel auf dem Weg vom Feld bis zum Markt durch schlechte Lager- und Transportbedingungen vergammeln dürfen. In den Industrienationen gilt es dagegen, weniger Lebensmittel wegzuwerfen – sei es im Einzelhandel oder in Privathaushalten.
Zweitens dürfen Futtermittel für Nutztiere nicht mehr auf Flächen angebaut werden, die sich auch für den Anbau von menschlicher Nahrung eignen, wie die Forscher betonen. Der Anteil unseres Proteinbedarfs, den wir durch den Konsum tierischer Lebensmittel decken, würde in diesem Szenario von 38 auf elf Prozent sinken.
Machbar oder unrealistisch?
Insgesamt legen die Modellberechnungen nahe: Bio für alle ist theoretisch möglich. Die Umsetzung stellt jedoch eine große Herausforderung dar, wird in der Praxis langwierig sein und könnte sich gar als unrealistisch erweisen.
Anstatt sich lediglich auf die Steigerung der Produktion zu konzentrieren, komme es für eine nachhaltige Welternährung aber in jedem Fall auf vielfältige Faktoren an, betonen Muller und seine Kollegen abschließend. Eine entscheidende Rolle spielt dabei unser eigenes Verhalten – zum Beispiel, wie viel Essen wir wegwerfen und welche Produkte wir konsumieren. (Nature Communications, 2017; doi: 10.1038/s41467-017-01410-w)
(Nature, 15.11.2017 – DAL)