Neurobiologie

Abendliches Surfen schadet Kindern mehr

Durchlässigere Augen und unreifes Gehirn reagieren sensibler auf Licht-Störeffekt

Wenn Kinder direkt vor dem Schlafengehen dem Licht von Bildschirmen ausgesetzt sind, schadet dies ihrem Schlaf. © nastoo/iStock.com

Störeffekt potenziert: Die Nutzung von Smartphones oder Tablets direkt vor dem Schlafengehen ist für Kinder und Jugendliche deutlich schädlicher als für Erwachsene. Wie Forscher herausfanden, sind die Augen von Kindern noch durchlässiger für das bläuliche Licht der Bildschirme, zudem reagiert ihr Hormonsystem sensibler. Als Folge sinkt der Gehalt des Schlafhormons Melatonin bei ihnen doppelt so stark wie bei Erwachsenen – Schlafstörungen sind die Folge.

Der Wechsel von Licht und Dunkel ist ein wichtiger Taktgeber für unseren Organismus. Er synchronisiert unsere innere Uhr und regelt wichtige Stoffwechselprozesse. Dazu gehört auch das Schlafhormon Melatonin. Dieser Botenstoff regelt unseren Schlaf-Wach-Rhythmus und die Freisetzung vieler weiterer Hormone im Körper. Schon länger ist jedoch bekannt, dass gerade dieses wichtige Steuerhormon besonders empfindlich auf abendliches und nächtliches Licht reagiert.

Studien zeigen, dass besonders Licht im blauen Wellenbereich die Melatonin-Produktion stört – und damit das Licht, das in besonders hohem Maße von unseren Smartphones, Tablets und Computern ausgestrahlt wird. Welche Folgen die abendliche Nutzung solcher Geräte für Kinder und Jugendliche hat, haben nun Monique LeBourgeois von der University of Colorado in Boulder und ihre Kollegen ermittelt. Sie werteten dafür die Ergebnisse von mehr als hundert Studien aus aller Welt aus.

Sensiblere Augen

Das Ergebnis: Der Hormonhaushalt von Kinder und Jugendlichen reagiert noch sensibler auf die abendliche Lichtdusche als der von Erwachsenen. Einer der Gründe dafür ist die noch nicht abgeschlossene Reifung der Augen, wie die Forscher erklären. Sie macht die Augen lichtdurchlässiger und lässt die Regelkreise sensibler auf Lichtverschmutzung reagieren.

„Wir wissen, dass jüngere Menschen noch größere Pupillen haben und dass ihre Linsen noch transparenter sind“, erklärt LeBourgeois. „Dadurch ist ihre Belastung und Empfindlichkeit gegenüber diesem bläulichen Licht noch größer als bei Erwachsenen.“ Wurden Kinder und Erwachsene abends der gleichen Menge bläulichen Lichts ausgesetzt, fiel das Melatonin dadurch bei den Kindern doppelt so stark ab.

„Perfekter Sturm“ für das Schlafsystem

Hinzu kommt, dass bei Kindern auch der Schlafrhythmus und das Gehirn noch im Reifungsprozess sind. Bei einem Kind reicht daher schon deutlich weniger Zeit am Bildschirm vor dem Schlafengehen aus, um das Einschlafen und die Schlafqualität messbar zu stören. „Blicken Kinder mit ihren jungen Augen in den Stunden vor dem Schlafengehen auf das helle bläuliche Licht eines Bildschirms, ist dies der perfekte Sturm für eine Störung ihrer inneren Uhr und ihren Schlaf“, so LeBourgeois.

Angesichts der steigenden Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen sehen die Wissenschaftler hier eine bedenkliche Entwicklung. Wie sie berichten, haben inzwischen mehr als 75 Prozent der Jugendlichen mobile Geräte oder Computer in ihrem Schlafzimmer, 60 Prozent von ihnen nutzen diese in der Stunde vor dem Schlafengehen. Auch Vorschulkinder verbringen inzwischen immer mehr Zeit vor dem Bildschirm – und gerade bei ihnen wirken sich Schlafmangel und Schlafstörungen besonders stark aus.

Was sollten Eltern tun?

Solange nicht eindeutig geklärt ist, welche Lichtdosis noch tolerabel ist, raten die Forscher zu Vorsichtsmaßnahmen. Sie empfehlen, den Medienkonsum von Kindern in der Stunde vor dem Schlafengehen einzuschränken oder ganz zu verbieten. Zur Schlafenszeit sollten zudem alle elektronischen Geräte ausgeschaltet und außerhalb des Schlafzimmers aufgehoben und aufgeladen werden. (Pediatrics, 2017; doi: 10.1542/peds.2016-1758J)

(University of Colorado Boulder, 02.11.2017 – NPO)

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