Archäologie

Waren die Wikinger vom Islam beeinflusst?

Arabische Schriftzeichen auf Wikinger-Gewändern entdeckt

Die Muster auf diesem Seidenband könnten arabische Schriftzeichen darstellen. © Annika Larsson

Fremde Kultur: Forscher haben arabische Schriftzeichen auf Begräbniskleidung von Wikingern entdeckt. Die mit Silbergarn auf Seidenbänder gestickten Muster stellen ihren Analysen zufolge Wörter wie Allah und Ali dar und haben demnach einen deutlichen Bezug zum Islam. Das könnte bedeuten, dass sich die Nordmänner von der fremden Kultur aus dem Orient beeinflussen ließen.

Vor rund tausend Jahren dominierten die Wikinger weite Teile Nordeuropas und besiedelten als erste Europäer sogar das ferne Grönland. Obwohl die Nordmänner vor allem für ihre kriegerischen Raubzüge gefürchtet waren, unterhielten sie auch ein ausgedehntes Handelsnetz. Bei ihren Geschäften in Europa und im Orient tauschten die Händler Güter wie Honig, Bernstein, Felle und Waffen gegen Silber, Gewürze, Rüstungen und Seide.

Dass die Wikinger dabei nicht nur geschäftliche Verbindungen zu fremden Völkern aufbauten, sondern sich auch von deren Kultur beeinflussen ließen, scheint nun ein überraschender Fund nahezulegen. Denn Wissenschaftler um die Textilarchäologin Annika Larsson von der Uppsala Universität in Schweden haben arabische Schriftzeichen auf traditionellen Wikinger-Grabgewändern entdeckt.

Das Wort Allah erscheint auf den Textilien spiegelverkehrt. © Annika Larsson

Rätselhafte Stickmuster

Die Textilien wurden in Schiffsgräbern und Grabkammern bedeutender Wikingersiedlungen wie Birka im Südosten Schwedens gefunden. Die Forscher hatten sie als Vorbereitung auf eine Ausstellung erneut untersucht. Dabei waren ihnen winzige, mit Silbergarn auf Seidenbänder gestickte Muster aufgefallen.

Deren Gestalt erinnerte sie an Kufi-Zeichen – eine der ältesten kalligraphischen Formen der arabischen Schrift. Eine Vergrößerung der Muster ermöglichte schließlich die Entschlüsselung des Textes: „Ein spannendes Detail ist das Wort Allah, das spiegelverkehrt dargestellt wird“, berichtet Larsson. Auch ein Wort, das den Namen des vierten Kalifen des Islam darstellen könnte, sei immer wieder aufgetaucht: Ali.

Vorstellung vom Paradies?

Damit finden sich auf der Kleidung aus Skandinavien Schriftzeichen, die Experten eigentlich mit Mosaiken auf Mausoleen und anderen Grabdenkmälern aus Zentralasien assoziieren. Was aber bedeutet das? „Es wird oft angenommen, dass Objekte aus dem Osten in Wikingerstätten Beute von Raubzügen oder Handelsgüter sind“, sagt Larsson.

Diese Theorie könne diesen Fund jedoch nicht erklären. Schließlich tauchten die arabischen Zeichen auf typischer Wikinger-Bekleidung auf – Kleidung, die aller Wahrscheinlichkeit nach im Herzen des Reichs der Nordmänner hergestellt wurde. Für die Forscherin ist damit klar: „Die Wikinger müssen ihrerzeit vom Islam und der Vorstellung eines ewigen Nachlebens im Paradies beeinflusst worden sein.“ So stehe im Koran geschrieben, dass die Menschen im Paradies Gewänder aus Seide tragen.

Medienberichten zufolge zweifeln manche Experten Larssons Interpretation der Schriftzeichen an. Stimmt sie jedoch, bestätigt dies einmal mehr, dass es Interaktionen zwischen Wikingern, Muslimen und der arabischen Welt gegeben hat. Und es legt nahe, dass diese Verbindungen ihre Spuren offenbar auch in der Kultur der Nordmänner hinterließen.

(Universität Uppsala, 19.10.2017 – DAL)

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