Silber, Gold und Seltene Erden: Mit dem Abwasser landen echte Schätze in unseren Kläranlagen, wie Schweizer Forscher festgestellt haben. Allein in den Abwässern und Klärschlämmen der Schweiz fallen demnach pro Jahr rund 3.000 Kilogramm Silber, 43 Kilogramm Gold und hunderte Kilogramm verschiedener Seltenerd-Metalle an. Eine Rückgewinnung dieser Rohstoffe würde sich allerdings nur an wenigen Orten lohnen, wie die Forscher berichten.
Vor allem die Elektronik-Industrie, aber auch andere Hightech-Branchen benötigen zahlreiche verschiedene Edel- und Seltenerd-Metalle. Weil die Nachfrage stark steigt, könnten einige dieser Rohstoffe künftig sogar knapp werden. Gleichzeitig jedoch sorgt die Allgegenwart dieser Metalle dafür, dass sich Spuren von ihnen auch im Abwasser wiederfinden. In den USA haben Forscher im Klärschlamm sogar schon mehr Gold, Silber und andere wertvolle Metalle gefunden als in manchen Lagerstätten.
Wie es bei uns in Mitteleuropa mit dem „Schatz“ im Abwasser aussieht, haben nun Bas Vriens von der EAWAG und seine Kollegen untersucht. Dafür analysierten sie Proben aus 64 Kläranlagen in der gesamten Schweiz auf ihren Gehalt von 69 verschiedenen Elementen hin. Die Forscher beprobten dabei sowohl das gereinigte Abwasser als auch den Klärschlamm und das Wasser großer Flüsse. Ihre Studie ist damit die erste, dies für ein ganzes Industrieland systematisch erfasst hat.
3.000 Kilogramm Silber
Das Ergebnis: Hochgerechnet auf die Schweiz landen beträchtliche Mengen wertvoller Metalle in den Kläranlagen. Pro Jahr sind dies immerhin rund 3.000 Kilogramm Silber und 43 Kilogramm Gold. Auch Kupfer, Zink, Titan und Mangan und Eisen kamen häufig vor, wie die Forscher ermittelten. Unter den Seltenerdmetallen sind Gadolinium mit 1.070 Kilogramm, Neodym mit 1.500 Kilogramm und Ytterbium mit 150 Kilogramm stark vertreten.
Rechnet man dies in Pro-Kopf-Werte um, dann reicht die Spanne von wenigen Mikrogramm pro Tag und Kopf bis zu einigen Gramm pro Tag und Kopf. Zu den selteneren Funden gehören dabei Gold, Indium oder Lutetium, im Milligramm-Bereich bewegen sich Zink, Scandium, Yttrium, Niob und Gadolinium. Mit mehr als einem Gramm pro Tag und Kopf ziemlich stark vertreten sind die Elemente Phosphor, Eisen und Schwefel.
Ruthenium im Jura, Gold im Tessin
Allerdings variieren die Metallgehalte deutlich, je nach Region und Kläranlagen – manchmal um den Faktor 100. So ergaben die Analysen zum Beispiel im Jura erhöhte Werte von Ruthenium, Rhodium und Gold, die vermutlich aus der Uhrenindustrie stammen. In Teilen von Graubünden und des Wallis waren dafür die Arsengehalte erhöht – wahrscheinlich, weil dort das Gestein von Natur aus viel Arsen enthält.
Besonders viel Gold fanden die Wissenschaftler dagegen in einzelnen Orten im Tessin. Dort ist die Goldkonzentration im Klärschlamm so hoch, dass sich sogar eine Rückgewinnung lohnen könnte. Die Erklärung dafür: In diesem Gebiet liegen mehrere Goldraffinieren. Mit deren Abwasser gelangen auch Reste von Goldstaub in die Kläranlagen.
Rückgewinnung lohnt sich nur vereinzelt
Allerdings: Mit Ausnahme dieser goldreichen Standorte lohnt sich eine Rückgewinnung der Rohstoffe aus Abwasser oder Klärschlamm zurzeit kaum, wie Vries und seine Kollegen erklären. Dazu wäre der Aufwand zu groß und der Ertrag zu gering. So entspricht etwa die gefundene Menge Aluminium nur 0,2 Prozent der jährlichen Importe der Schweiz, beim Kupfer sind es knapp vier Prozent.
So enttäuschend dies für „Schatzsucher“ sein mag, für die Umwelt und unsere Gesundheit ist dies eher eine gute Nachricht. Denn wie die Analysen ergaben, liegen nur die Werte für Kupfer und Zink in den Abläufen oder Schlämmen vereinzelt zu hoch. An den meisten Orten jedoch werden keine ökotoxikologisch relevanten oder gesetzlich festgelegten Grenzwerte überschritten. Das ist in Deutschland anders: Im Rhein haben Forscher schon vor einigen Jahren potenziell giftige Konzentrationen von Gadolinium, Lanthan und anderen Schwermetallen gemessen. (Environmental Science & Technology, 2017; doi: 10.1021/acs.est.7b01731)
(EAWAG: Swiss Federal Institute of Aquatic Science and Technology, 11.10.2017 – NPO)