Geowissen

Südpol: War Sabotage schuld an Scotts Tod?

Dokumente enthüllen unrühmliche Rolle von Scotts Stellvertreter Teddy Evans

Robert Scott und seine Begleiter auf dem Weg zum Südpol. Sie hätten ihre Expedition möglicherweise überleben können. © University of New South Wales

Egoismus oder absichtliche Sabotage? Robert Scott und seine Begleiter hätten ihre fatale Südpol-Expedition überleben können – wenn Scotts Stellvertreter nicht so unfähig oder sogar böswillig gehandelt hätte. Denn neu aufgespürte Dokumente enthüllen, dass Lieutenant Edward Evans heimlich Rationen aus den Nahrungsdepots stahl und Befehle von Scott nicht weitergab. Dies könnte Scotts tragisches Schicksal besiegelt haben, wie ein australischer Forscher erklärt.

Die fatale Südpol-Expedition von Robert Falcon Scott und seinen Männern gehört zu den tragischsten Ereignissen der Polarforschung. Behindert durch streikende Motorschlitten und sterbende Ponys verlor die britische Expedition bereits beim Aufstieg zum Polplateau wertvolle Zeit und Ressourcen. Als Scott mit seinen vier Begleitern dann am 16. Januar 1912 den Südpol erreichte, sah er schon von weitem die norwegische Flagge wehen – Roald Amundsen und sein Team waren ihnen zuvorgekommen.

Für Robert Scott war damit nicht nur der Wettlauf zum Südpol verloren, er und seine Männer sollten für ihren Versuch auch mit ihrem Leben bezahlen. Denn auf dem Rückweg, von Erschöpfung, Kälte und Hunger zermürbt, gerieten sie in einem Schneesturm und starben – nur 18 Kilometer vom nächsten Nahrungsdepot entfernt.

Wurde Scott sabotiert?

„Lange Zeit wurde Scott selbst dafür verantwortlich gemacht, dass er und seine Männer bei dieser fatalen Expedition starben“, erklärt Chris Turney von der University of New South Wales. So wurde Scott posthum unter anderem dafür kritisiert, dass er die Hundeschlitten bereits vor dem Aufstieg auf das Polplateau zurückschickte. Dadurch mussten seine Männer ihre schweren Schlitten selbst ziehen – eine enorm kräftezehrende Aufgabe.

Doch neue Dokumente enthüllen nun ein ganz anderes Szenario. Demnach hätten Scott und seine Männer den Rückweg vom Südpol durchaus überleben können – wenn ein entscheidendes Teammitglied nicht auf ganzer Linie versagt hätte. „Diese Dokumente erzählen eine ganz andere Geschichte“, berichtet Turney. „Demnach wurde Scotts sorgfältige Planung unterminiert und entscheidende Befehle missachtet.“

Scotts Stellvertreter im Zwielicht

Der entscheidende Akteur war dabei Lieutenant Edward (Teddy) Evans – Scotts Stellvertreter bei der Expedition. Aus Scotts Tagebuch geht hervor, dass er bereits kurz vor seinem Aufbruch zum Pol starke Zweifel an der Eignung von Evans für diese Position hat: „Obwohl ich dumm genug, war ihn dazu zu ernennen, ist Evans dafür nicht geeignet“, schreibt er. „Er scheint unfähig, über die Grenzen seiner erstaunlich beschränkten Erfahrung hinaus zu denken.“

Ein bitterer Moment: Scott und sein Team am Südpol - unter der norwegischen Flagge, die zeigt, dass Amundsen den Wettlauf zum Südpol gewonnnen hat. © National Library

Scott ist nicht der einzige, der Evans für eher unfähig hält. Auch in seiner Mannschaft macht sich der Lieutenant keine Freunde – auch wegen seiner unsozialen, egoistischen Haltung: „Teddy, der verdammte Scheinheilige, legt sich nur dann ins Zeug, wenn er sieht, dass Scotts Schlitten angehalten hat und sie sich nach uns umsehen“, kritisiert Charles Wright, der mit Evans zusammen einen Schlitten zieht.

Warum der rettende Hundeschlitten ausblieb

Trotz seiner Bedenken belässt Scott seinen Stellvertreter auf seinem Posten, schickt ihn aber am 4. Januar 1912 mit einigen Männern zurück zur Basisstation – zu Evans großem Ärger. Wie die neuen Dokumente enthüllen, gibt Scott seinem Stellvertreter dabei den Befehl, die Nahrungsdepots auf den Ross-Schelfeis aufzufüllen und die Polmannschaft mit Hundeschlittenteams am Fuß des Beardmore-Gletschers abzuholen.

„Wäre Scott wie geplant am Fuß des Beardmore-Gletschers von Hundeschlitten abgeholt worden, hätten Wilson, Oates, Bowers und er selbst den Rückweg in relativ guter Verfassung überstehen können“, konstatiert der norwegische Historiker Tryggve Gran. Stattdessen füllt das Hundeschlittenteam zwar das Ein-Tonnen-Depot auf, kehrt dann aber wieder um – weil Evans Scotts Befehle nicht weitergegeben hat.

Am 10. März notiert Scott in seinem Tagebuch: „Die Hunde, die unsere Rettung gewesen wären, werden offenbar nicht mehr kommen.“

Nahrungsmangel durch Evans‘ Egoismus?

Und nicht nur das: Evans könnte sogar aktiv zum Nahrungsmangel der Pol-Rückkehrer beigetragen haben. Denn aus von Turney aufgespürten Dokumenten geht hervor, dass Evans bei seiner Rückkehr zum Basislager offenbar mehr als die ihm zustehenden Rationen aus den Nahrungsdepots entnahm – ob aus Gier oder aus Rache für seinen Ausschluss aus der Polmannschaft, ist unklar.

Tatsächlich erwähnt Scott in seinem Tagebuch mehrfach, dass die Vorräte in den Depots knapper sind, als sie es sein dürften. „Dieser Mangel an Vorräten passierte mindestens zweimal“, berichtet Turney. „Das erste Mal beim oberen Gletscher-Depot am 7. Februar, als eine ganze Tagesration fehlte. Das zweite Mal am 24. Februar am Southern Barrier Depot.“ Für die ohnehin von den Strapazen ausgezehrten Männer waren diese fehlenden Rationen fatal.

Scotts Stellvertreter Edward (Teddy) Evans könnte durch sein Verhalten den Tod der Südpol-Rückkehrer mitverschuldet haben.© University of New South Wales

Vertuscht und totgeschwiegen

„Die von mir aufgedeckte Dokumente stellen damit Evans Verhalten während der Expedition stark in Frage“, konstatiert Turney. „Im besten Fall sprechen sie für Evans Unfähigkeit als Leiter, im schlimmsten Fall aber für eine Sabotage, die letztlich im Tod von Scott und seinen vier Begleitern resultierte“, sagt Turney.

Interessanterweise trug Evans bei seiner Rückkehr nach England offenbar aktiv dazu bei, seine unrühmliche Rolle bei der Expedition zu verschleiern. „Wie die Dokumente belegen, wurden die Expeditionsberichte nachträglich verändert und ein Untersuchungs-Ausschuss wurde aufgelöst, bevor er richtig mit seiner Arbeit begonnen hatte“, berichtet Turney. Warum dies geschah und warum Evans bei seiner Rückkehr nicht eingehender befragt wurde, bleibt vorerst offen. (Polar Record, 2017; doi: 10.1017/S0032247417000468)

(University of New South Wales, 10.10.2017 – NPO)

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