Medizintechnik

Neuartiger Wundkleber für Organe

Elastin-basiertes Gel soll bei Operationen Klammern und Fäden ersetzen

Das Gel könnte künftig Klammern und Fäden bei Operationen ersetzen. © University of Sydney

Statt Klammer oder Faden: Forscher haben einen Kleber entwickelt, der Wunden an inneren Organen verschließen kann. Die Substanz besteht zum größten Teil aus dem körpereigenen Protein Elastin und bildet unter Lichteinfluss eine hochelastische Schicht. Auf diese Weise haftet sie auch an mit herkömmlichen Methoden nur schwierig zu behandelnden Stellen gut – zum Beispiel am Herzen oder an der Lunge. Bewährt hat sich das neuartige Gewebepflaster bereits in Tests mit Schweinen. Nun sollen Studien am Menschen folgen.

Um Wunden an inneren Organen zu schließen, nutzen Chirurgen in der Regel Klammern, Fäden oder Drähte. Doch gerade bei Organen wie der Lunge und dem Herzen sind solche Prozeduren eine echte Herausforderung. Denn beim Atmen und Schlagen sind diese Gewebe immer in Bewegung: Sie dehnen sich regelmäßig aus oder kontrahieren und entspannen. Nicht immer klappt es daher, die Wunde auf Anhieb komplett zu schließen – und manchmal lösen sich die angebrachten Verschlüsse im Laufe der Zeit wieder.

Elastin statt Klammer und Faden

Um dieses Problem zu lösen, forschen Wissenschaftler schon länger an Versiegelungen, die besser halten und einfach angebracht werden können. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist nun einem Team um Nasim Annabi von der Northeastern University in Boston gelungen. Auf der Suche nach einer Lösung experimentierten die Forscher mit einem Protein, das auch im menschlichen Körper vorkommt: dem Elastin. Das Molekül gehört zu den sogenannten Strukturproteinen und sorgt unter anderem für die Dehnungsfähigkeit unserer Haut, der Lunge und großer Blutgefäße wie der Aorta.

Für ihre Entwicklung kombinierten die Wissenschaftler einen Vorläufer von Elastin, das Tropoelastin, mit einem Molekül namens Methacrylsäureanhydrid. Der Clou: Dank dieser Substanz reagiert das Tropoelastin auf UV-Licht. Unterschiedliche Proteinmoleküle in einer Lösung vernetzen sich bei diesem Prozess zu einem Polymer – es entsteht ein hochelastisches Hydrogel.

Das Gel verbindet sich fest mit dem darunterliegenden Lungengewebe (links eine Rasterelektronenmikroskopaufnahme, rechts eine histologische Färbung). © Wyss Institute at Harvard University

Bei Schweinen erfolgreich

Schon vor Kurzem haben die Erfinder des „MeTro“ getauften Gels gezeigt, dass es hervorragend an Herzzellen haftet und womöglich als Wundkleber eingesetzt werden kann. Für die aktuelle Studie experimentierten sie mit unterschiedlichen Zusammensetzungen des Gels. Das Ziel: Kleber zu produzieren, die den elastischen Eigenschaften verschiedener Gewebe besonders nahe kommen und ihre Haftkraft auch in Gegenwart von Flüssigkeiten wie Blut nicht einbüßen.

Diese für verschiedene Gewebearten optimierten Wundkleber testete Annabis Team zunächst an Ratten. Mithilfe des Klebers behandelten sie bei den Tieren sowohl Schnitte in Arterien als auch Löcher in der Lunge erfolgreich, ohne zusätzlich Klammern oder andere Befestigungen einzusetzen. In weiteren Tests bewährte sich das Gewebepflaster sogar bei Schweinen, die schwere Wunden in der Lunge hatten – ihre Anatomie ist der menschlichen sehr ähnlich. Dabei hielt das Gel der Belastung beim Ausdehnen der Lunge besser stand als aktuell verfügbare Versiegelungen.

Tests an Menschen folgen

„Das Tolle an MeTro ist, dass es Wunden effektiv verschließt und durch Lichteinfluss an Ort und Stelle sofort eine äußerst stabile, haftstarke Schicht bildet“, sagt Annabi. Hinzu komme, dass es tatsächlich verlässlich haften bleibe. Im Experiment blieb das Pflaster solange auf der Wunde kleben, bis der Heilungsprozess abgeschlossen war. Anschließend zerfiel der Stoff langsam – ohne giftige Rückstände zu hinterlassen, wie die Forscher betonen.

Sie glauben, dass „MeTro“ eines Tages Operationen im Krankenhaus verbessern wird, aber auch in Extremsituationen, zum Beispiel an Unfallstellen oder in Kriegsgebieten, für Erste-Hilfe-Maßnahmen eingesetzt werden kann. „Wir sind nun soweit, dass wir unsere Entwicklung am Menschen testen können. Ich hoffe, MeTro wird schon bald Menschenleben retten“, schließt Mitautor Anthony Weiss von der University of Sydney. (Science Translational Medicine, 2017; doi: 10.1126/scitranslmed.aai7466)

(Brigham and Women’s Hospital/ Wyss Institute for Biologically Inspired Engineering at Harvard, 05.10.2017 – DAL)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Schmerz - Alarmstufe Rot im Nervensystem

Bücher zum Thema

Phänomen Mensch - Körper, Krankheit, Medizin von Andreas Sentker und Frank Wigger

Die Geschichte der Medizin - Von der Antike bis zur Gegenwart von Bernt Karger-Decker

Der kleine Medicus - von Dietrich H. W. Grönemeyer

Top-Clicks der Woche