Skurriler Schleppen-Effekt: Wenn ein großer Regentropfen durch eine Wolke fällt, bleibt er nicht allein. Hinter ihm kann sich ein ganzer Schweif von neuen Mikrotröpfchen bilden, wie ein Experiment enthüllt. Der Regen selbst fördert damit die Tropfenbildung in den Wolken. Auch bei Hagelschauern vermuten die Forscher einen ähnlichen Schleppen-Effekt. Dieser Prozess könnte erklären, warum viele Regengüsse so abrupt und heftig sind – der Regen vermehrt sich beim Fallen sozusagen selbst.
So alltäglich Regen bei uns ist, so komplex ist seine Entstehung. Denn in den Wolken durchläuft das Wasser erst einen mehrschrittigen Prozess, bei dem erst Wasserdampf zu Eiskristallen wird und dann auf seinem Weg nach unten wieder schmilzt. Was für ein Regen dann aus der Wolke fällt, wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, darunter der Umgebungstemperatur, dem Wind und der Größe der Tropfen. Entsprechend schwierig ist es für Forscher, diesen Prozess zu rekonstruieren.
Regenwolke im Zentimeter-Maßstab
Kein Wunder, dass viele Vorgänge in Regenwolken bis heute ungeklärt sind: Echte Wolken sind für aufwändige Laborexperimente einfach zu kompliziert. Entsprechend rätselhaft sind daher auch die Vorgänge, durch die abrupte, heftige Regenschauer entstehen. Um dieser Frage nachzugehen, haben nun Forscher vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen ein ungewöhnliches Experiment durchgeführt.
Das Ungewöhnliche daran: Die Forscher haben Wolken und Regen in einer nur wenige Zentimeter großen Hochdruckzelle erzeugt. In diesem Mini-Modell spielte Schwefelhexafluorid (SF6) die Rolle des gasförmigen und flüssigen Wassers, während das Edelgas Helium die Luft repräsentierte. Was in dieser Miniaturwolke passiert und wie sich vor allem die fallenden Regentropfen darin verhalten, haben die Forscher mit Hilfe einer Hochgeschwindigkeitskamera verfolgt.
Freier Fall mit Gefolge
Dabei zeigte sich Überraschendes: Fällt ein kalter Tropfen durch die Modellatmosphäre, erzeugt er in seinem Gefolge einen ganzen Strom von neuen Mikrotröpfchen. Diese Tröpfchen folgen dem großen auf seinem Fall nach unten und sorgen so damit, dass auf einen Schlag mehr Regen aus der Wolke fällt. Wie die Forscher ermittelten, treten solche Schweife von Mikrotröpfchen vor allem hinter Hagelkörnern und sehr großen Regentropfen auf.
Verursacht werden diese Tropfenschleppen durch einen subtilen Temperatureffekt, wie das Experiment ergab: Die großen Tropfen kühlen beim Fallen die Atmosphäre um sie herum leicht ab – Atmosphärenphysiker sprechen hierbei von isobarischer Abkühlung. Weil die Atmosphäre in der Regenwolke mit Wasserdampf gesättigt ist, führt diese Abkühlung dazu, dass weiterer Dampf kondensiert – es bilden sich Mikrotröpfchen. Diese werden von der Bewegung des großen Tropfens mitgerissen.
Einblick in die Wolkendynamik
Die Forscher vermuten, dass ein ähnlicher Mechanismus bei der Bildung von abrupten Regenschauern eine wichtige Rolle spielt. Dies wiederum hätte entscheidende Auswirkung auf die Wolkendynamik und somit auf die Niederschlagsintensität. Noch allerdings ist weitere Forschung notwendig, weil die Atmosphäre mit ihren turbulenten Bewegungen und starken Winden komplexer ist als das Laborsystem.
Dennoch sehen die Forscher in ihrem Experiment „ein klares Beispiel dafür, wie uns Laborversuche von idealisierten Problemen helfen können, atmosphärische Prozesse besser zu verstehen“, wie Teamleiter Eberhard Bodenschatz erklärt. „So können wir zukünftig die Dynamik und Selbstorganisation bei der Wolkenbildung genauer nachvollziehen.“ (Physical Review Letters, 2017; doi: 10.1103/PhysRevLett.119.128701)
(Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, 02.10.2017 – NPO)