Vom Musterschüler zum Schlusslicht: Geht es so weiter, wird Deutschland im Jahr 2020 die EU-Zielvorgabe für erneuerbare Energien verfehlen. Das legt eine aktuelle Bilanz nahe. Statt des vorgegebenen Anteils von 18 Prozent an der Energieproduktion wird Deutschland nur 16 Prozent schaffen. Damit gehören wir zur kleinen Minderheit von nur fünf EU-Staaten, die hinter den Klimaschutzplänen zurückbleiben.
Eigentlich sind sich alle einig: Um den Klimawandel aufzuhalten, muss die Nutzung von fossilen Brennstoffen drastisch reduziert werden. Doch wenn es um die praktische Umsetzung geht, tut sich bisher nur langsam etwas. Die Treibhausgas-Werte steigen weiter an, der CO2-Gehalt der Atmosphäre hat bereits 400 ppm überschritten. Zwar boomen Wind- und Solarenergie in vielen Regionen, aber gleichzeitig zögern viele Länder, sich von der Kohle zu verabschieden.
Zielvorgabe der EU verfehlt
Auch der einstige Klimaschutz-Musterschüler Deutschland gehört dazu: Wie neue Berechnungen des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) ergeben, hinkt Deutschland seinen selbsternannten Zielen – und denen der EU – deutlich hinterher. Die Klimaschutzziele der EU sahen vor, den Anteil von erneuerbaren Energien bis 2020 im EU-Durchschnitt auf 20 Prozent zu erhöhen. Deutschland bekam damals eine Quote von 18 Prozent als Zielvorgabe.
Die aktuelle Bilanz zeigt jedoch: Geht es weiter wie bisher, wird Deutschland bis 2020 nur 16 Prozent erneuerbare Energien schaffen – und damit das eigentlich verpflichtende EU-Ziel verfehlen. Unser Land gehört damit neben Irland, Großbritannien, den Niederlanden und Luxemburg zu den wenigen EU.-Mitgliedern, die hinter den jeweiligen Zielvorgaben zurückbleiben.
Mehr Diesel, Benzin und Erdgas
Hauptursachen für das schlechte Abschneiden Deutschlands ist ein erhöhter Verbrauch von fossilen Brennstoffen, wie die Bilanz ergab. So stieg der Verbrauch von Benzin und Diesel im ersten Halbjahr 2017 um 4,5 Prozent, Kerosin für Flugzeuge sogar um zehn Prozent. Im gleichen Zeitraum wurden auch rund sieben Prozent mehr Erdgas für Wärme, Industrie und Stromerzeugung verbraucht.
„Seit Jahren verzeichnet Deutschland keine Fortschritte beim Ausbau erneuerbarer Energien im Wärme- und Verkehrssektor“, kritisiert Peter Röttgen vom Bundesverband Erneuerbare Energie. „Selbst im Strombereich ist wegen der zu geringen Ausschreibungsmengen nicht mit einer Kompensation zu rechnen.“ Die stagnierende Energiewende hemme das Innovationspotenzial und die Wirtschaftskraft im Erneuerbare-Energie-Sektor.
Musterschüler fällt zurück
Tatsächlich hat uns die große Mehrheit der EU-Staaten in puncto erneuerbare Energien bereits überholt, wie die Berechnungen ergaben: 23 der 28 EU-Länder erfüllen die Vorgaben – und das, obwohl dies für einige Länder deutlich höher sind als für Deutschland. So gilt für Frankreich die Zielmarke 23 Prozent, für Portugal 31 Prozent und für Spanien 20 Prozent. Die wasserreichen skandinavischen Länder decken sogar 30 bis 40 Prozent ihres Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen ab.
„Die nächste Bundesregierung muss den Ausbau Erneuerbarer Energien deutlich beschleunigen und nachhaltig den Verbrauch senken, damit Deutschland seine Verpflichtung gegenüber der EU einhalten kann“, kommentiert Röttgen. Viele technologische Innovationen scheitern bisher zudem häufig an regulatorischen Rahmen. Hier müsse nachgebessert werden – auch um Investitionssicherheit zu schaffen.
(Bundesverband Erneuerbare Energie e.V., 22.09.2017 – NPO)