Biologie

Pilze sind die (zweit)-Größten

Nach den Tieren haben die Pilze die zweitgrößte Artenvielfalt

3,8 Millionen Pilzarten gibt es schätzungsweise auf der Erde - die allermeisten davon sind jedoch noch unbekannt. Hier der Gesäte Tintling (Coprinellus disseminatus) ein totholzzersetzender Pilz aus Kolumbien. © R. Lücking / Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin

Unauffällige Herrscher: Die Pilze sind nach den Tieren die zweitgrößte Organismengruppe der Erde, wie eine neue Schätzung enthüllt. Sie kommt auf 2,2 bis 3,8 Millionen Spezies – damit gibt es 18-mal mehr Pilzarten als bisher angenommen. Bekannt und beschrieben ist jedoch nur ein Bruchteil dieser Pilzvielfalt. Vor allem in den Tropen, aber auch in Flechten oder als Parasiten in Tieren vermuten Forscher noch Tausende unbekannter Pilzarten.

Pilze sind überall und überstehen fast alles. Ob als fädiger Schimmel, winzige Spore oder „klassischer“ Hutpilz – es gibt kaum einen Ort, an dem es sie nicht gibt. Manche Pilze können tödliche Strahlendosen vertragen und sogar noch davon profitieren. Andere gedeihen nach Buschfeuern besonders gut. Wieder andere werden 1.500 Jahre alt und besitzen die Ausmaße von mehr als eineinhalbtausend Fußballfeldern.

„Volkszählung“ mit Schätzhilfen

Doch wie viele Pilzarten des auf der Erde gibt, darüber konnten Biologen bisher nur spekulieren. Die Schätzungen reichten von gut einer halben Million bis zu über fünf Millionen Pilzarten weltweit. Das Problem dabei: Derzeit sind erst 120.000 Pilzarten bekannt und wissenschaftlich beschrieben, die Dunkelziffer ist daher enorm hoch. Von den drei großen Organismenreichen sind die Pilze das am wenigsten erforschte.

Eine neue „Volkszählung“ unter den Pilzen haben nun David Hawksworth vom Natural History Museum in London und seine Kollegengewagt. Für ihre Studie kombinierten sie drei Schätzmethoden. Sie werteten Daten des DNA-Barcoding aus, zogen Analysen von Umweltproben heran und ermittelten die Pilzzahl in bestimmten Lebensräumen und Biotopen.

Den Fliegenpilz kennt jedes Kind - doch selbst von ihm gibt es rund ein Dutzend verschiedener Arten. © R. Lücking / Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin

18-mal mehr Pilze als Pflanzen

Das Ergebnis: Wahrscheinlich existieren auf der Erde mindestens 2,2 bis 3,8 Millionen Pilzarten. Das sind 18-mal mehr Pilzarten als von den meisten Biologen bisher angenommen. Die Pilze sind damit nach den Tieren das artenreichste Organismenreich auf unserem Planeten. Mit ihrer Vielfalt überflügeln sie die Pflanzen bei weitem, wie die Forscher ermittelten: Auf jede Pflanze kommen knapp zehn Pilzarten.

Kein Wunder: Pilze sind in allen Ökosystemen vorhanden, sogar im Meer. Zum Reich der Pilze zählen Einzeller wie die Backhefe ebenso wie der makroskopische Fliegenpilz oder auch die Flechtenpilze.

Parasitische Pilze sind wichtige Krankheitserreger bei Pflanzen, Tieren und auch dem Menschen, viele andere Pilzarten spielen aber auch eine wichtige Rolle für tägliche Lebensmittel wie Brot und Käse, alkoholhaltige Getränke, sowie Medikamente

Auf den ersten Blick kaum als Pilz zu erkennen: Der Schlauchpilz Sorokina caeruleogrisea aus Costa Rica. © R. Lücking / Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin

Mehr als 90 Prozent noch unbekannt

Bekannt und beschrieben ist von dieser ungeheuren Vielfalt allerdings bisher nur ein Bruchteil: „Mit nur rund 120.000 bisher bekannten Arten sind im besten Fall gerade einmal acht Prozent der wahren Pilzvielfalt beschrieben, im schlimmsten Fall sogar nur drei Prozent“, konstatieren die Forscher. Die Dunkelziffer ist damit bei den Pilzen erheblich höher als bei Tieren oder Pflanzen, von denen 80 beziehungsweise 20 Prozent bisher erfasst sind.

Besonders viele unbeschriebene Pilzarten vermute die Wissenschaftler in Hotspots wie den Tropen, in wenig untersuchten Lebensräumen wie den symbiontischen Flechten und in Insekten sowie in unbearbeitetem Material naturkundlicher Sammlungen. Zurzeit werden jedes Jahr rund 1.500 neue Pilzarten beschrieben. Gleichzeitig aber nimmt durch Lebensraumzerstörung und nicht nachhaltiges Wirtschaften auch die Pilzvielfalt fortwährend ab: Viele Arten sterben aus, bevor sie entdeckt werden. (Microbiology Spectrum, 2017; doi: 10.1128/microbiolspec.FUNK-0052-2016)

(Freie Universität Berlin, 18.09.2017 – NPO)

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