Geheimnis gelüftet? Nach fast 230 Jahren könnten Forscher das Schicksal des berühmten französischen Entdeckers Comte de La Pérouse aufgeklärt haben. Im historischen Bericht eines Schiffbrüchigen entdeckten sie Hinweise darauf, dass der 1788 verschollene Seefahrer nicht in der Südsee, sondern am Great Barrier Reef starb. Demnach lief sein Boot dort auf Grund und die Überlebenden retteten sich auf eine nahegelegene Insel. Dort jedoch wurden sie von den Eingeborenen getötet.
Nachdem der britische Seefahrer James Cook erfolgreich als erster die Welt umsegelt hatte, wollten die Franzosen ihm nicht nachstehen. Der französische König Ludwig XVI beauftragte daher den Entdecker und Navigator Jean François de Galaup, Comte de La Pérouse damit, eine Expedition in den Pazifik durchzuführen. Mit zwei Schiffen und 225 Seeleuten, Offizieren und Wissenschaftlern stach La Pérouse am 1. August 1785 in See.
In der Südsee verschollen
„La Pérouses Entdeckungsreise im Pazifik gilt als eine der bedeutendsten seiner Zeit“, erklärt Garrick Hitchcock von der Australian National University (ANU). Von Frankreich aus segelte La Pérouse über den Atlantik bis nach Patagonien, umschiffte Kap Horn und erreichte erst Hawaii, dann die Küste Alaskas. Nach einer Tour entlang der Westküste Nordamerikas überquerten die beiden Schiffe dann den Pazifik Richtung Asien. Nach Landung in Macau konzentrierte sich die Expedition darauf, die damals noch kaum bekannte Ostküste Chinas und Kamtschatkas zu kartieren und zu erforschen.
1788 kehrten La Pérouse und seine Mannschaften in die Südsee zurück. Nach kurzem Zwischenstopp in Sydney wollte La Pérouse im Februar 1788 Tonga und die Salomonen ansteuern, doch Schiffe und Mannschaften kamen nie an ihrem Ziel an. Erst 30 Jahre später fand eine Suchexpedition Wrackteile und Ausrüstungsgegenstände auf der Salomoneninsel Vanikoro – offenbar hatte die Expedition hier Schiffbruch erlitten.
Fahrt ins Nirgendwo
Doch waren La Pérouse und seine Männer auch dort gestorben? Historischen Aufzeichnungen zufolge offenbar nicht. Wie Hitchcock berichtet, überlebten die Männer den Schiffbruch. Aus den Wrackteilen eines der Schiffe konstruierten sie ein zweimastiges Boot und versuchten damit offenbar, zurück in kolonisierte Gebiete zu gelangen. „Was aber dann aus dem Schiff und seiner Crew wurde, blieb bis heute rätselhaft“, sagt Hitchcock.
Jetzt könnte ein Zufallsfund das Geheimnis um den verschollenen Entdecker lüften. Denn bei der Suche nach historischen Dokumenten zu einem anderen Projekt stieß der Forscher zufällig auf den Bericht eines indischen Seemanns, der 1814 nördlich von Queensland Schiffbruch erlitten hatte. Shaik Jumaul strandete damals auf Murray Island und lebte dort vier Jahre unter den Eingeborenen, bis er von zwei Handelsschiffen gerettet wurde.
Bericht eines Schiffbrüchigen
„Jumaul erzählte seinen Rettern damals, dass er Musketen und Säbel., sowie einen Kompass und eine goldene Uhr auf der Insel gesehen habe – und dass diese nicht englischen Ursprungs waren“, berichtet Hitchcock. „Als er die Insulaner fragte, woher diese Dinge stammten, erzählten sie, dass 30 Jahre zuvor ein Schiff am Great Barrier Reef, in Sichtweite ihrer Insel, auf Grund gelaufen war.“
Die Mannschaft des gestrandeten Schiffs konnte sich auf Murray Island, einer Insel in der Torres-Straße, retten. Doch in Kämpfen mit den Eingeborenen wurden schließlich alle „Fremden“ bis auf einen halbwüchsigen Jungen getötet, so der Bericht Jumauls. Nach Ansicht von Hitchcock passen diese Schilderungen auffallend gut zur Ausrüstung und Mannschaft von La Pérouse. Denn laut Besatzungsliste nahm auch ein Jugendlicher an der Expedition teil.
War es La Pérouse?
„Die Chronologie passt perfekt, denn die Überlebenden der Expedition müssen Ende 1788 oder Anfang 1789 Vanikoro in ihrem kleinen Schiff verlassen haben – ziemlich genau 30 Jahre vor Jumauls Schiffsunglück“, so Hitchcock. „Zudem kennen Historiker und Marine-Archäologen kein anderes europäisches Schiff, dass zu jeder Zeit in dieser Region unterwegs war. Es könnten daher sehr gut sein, dass die Expedition von La Pérouse in der Torres-Straße vor Australien ihr tragisches Ende fand.“
Die Torres-Straße ist eine Meerenge zwischen der Nordküste Australiens und Neuguinea, die für ihre Riffe, Klippen und Sandbänke berüchtigt ist. Am Nordende des Great Barrier Reef gelegen, wurde die schwer zu navigierende Meerespassage bereits mehr als 120 Schiffen zum Verhängnis, wie Hitchcock erklärt. Er hält es daher für durchaus wahrscheinlich, dass auch La Pérouse und seine Mannschaft hier ihr endgültiges Ende gefunden haben könnten. Eine Suche nach Wrackteilen könnte dies klären.
(Australian National University, 05.09.2017 – NPO)