Spannender Fund: In einer Unterwasser-Höhle in Mexiko haben Archäologen die vielleicht ältesten menschlichen Überreste Amerikas entdeckt. Die halb in einem Stalagmiten eingeschlossenen Knochenreste könnten bereits 13.000 Jahre alt sein, wie eine Uran-Thorium-Datierung nahelegt. Skurril: Das komplette Skelett haben Höhlentaucher bereits 2012 entdeckt, doch der Großteil davon wurde kurz darauf gestohlen.
Wann die ersten Menschen den amerikanischen Kontinent betraten, ist noch immer unklar – und umstritten. Nach gängiger Lehrmeinung zogen Einwanderer aus Sibirien vor rund 15.000 Jahren über die Bering-Landbrücke nach Nordamerika und breiten sich dann entlang der Küste und durch einen eisfreien Korridor nach Süden aus. Wie schnell diese Besiedlung aber erfolgte – und ob diese Zeiteinschätzung überhaupt stimmt, ist strittig. Denn menschliche Fossilien aus dieser Zeit sind extrem rar.
Skelettfund in Unterwasser-Höhle
Umso spannender ist eine Entdeckung in Mexiko: In einer mit Wasser gefüllten Höhle in der Nähe von Tulum hatten Höhlentaucher im Februar 2012 die Überreste eines prähistorischen Menschen entdeckt. Der fast vollständige Schädel und einiger Skelettknochen lagen inmitten der Tropfsteine der Chan Hol-Höhle. Weil der von Hohlräumen durchzogenen Karst in diesem Gebiet während der Eiszeit noch über dem Wasserspiegel lag, war die Höhle damals nicht überflutet und die Tropfsteine konnten entstehen.
Begeistert von ihrem Fund, posteten die Höhlentaucher Fotos des Skeletts in den sozialen Medien – mit fatalen Folgen. Denn als Archäologen einen Monat später in die Höhle tauchten, um die Überreste zu untersuchen und zu bergen, war das Skelett verschwunden. Offenbar angeregt durch die Posts, hatten Unbekannte den wertvollen Fund gestohlen.
Beckenknochen im Stalagmiten
Doch zum Glück für die Archäologen hatten die Diebe nicht alle Knochenteile erwischt: „Rund zehn Prozent des Skeletts sind vor Ort geblieben“, berichten Wolfgang Stinnesbeck von der Universität Heidelberg und seine Kollegen. Unter den Fragmenten war auch ein Stück des Beckenknochens, das halb in einen Stalagmiten eingewachsen war. „Das verhinderte wahrscheinlich, dass dieser Knochen gestohlen wurde“, so Stinnesbeck.
Aus der Analyse der Knochenfragmente schließen die Forscher, dass es sich bei dem Toten um einen jungen Mann gehandelt haben muss. Dieser muss bereits vor Überflutung der Höhle dorthin gelangt sein, sonst wären seine Knochen nicht von den Stalagmiten umschlossen. Möglicherweise starb der Mann damals vor Ort oder er wurde in der Chan Hol-Höhle bestattet.
Wie alt ist der Tote?
Die große Frage aber war: Wann war das? Wie alt die Überreste sind, würden Wissenschaftler normalerweise mittels Radiokarbondatierung bestimmen. Doch weil die Knochen so lange im Wasser lagen, sind fast alle organischen Bestandteile ausgewaschen. Stinnesbeck und seine Kollegen nutzten deshalb eine Datierung, die speziell für Mineralien geeignet ist: die Analyse der Uran- und Thorium-Isotope.
Der Clou dabei: Weil der Beckenknochen des Toten teilweise von einem Stalagmiten umschlossen war, könnte das Alter des Tropfsteins auch das Alter des Knochens verraten. Die Forscher analysierten dafür die wie Jahresringe angeordneten Schichten des Stalagmiten. Das Verhältnis der Uran- und Thorium-Isotope im Kalzit-Gestein ergab, dass schon die Schicht rund zwei Zentimeter vom Knochen entfernt mindestens 11.300 Jahre alt sein muss. Unmittelbar am Knochen ergaben die Analysen allerdings uneinheitliche Ergebnisse, wie die Archäologen einräumen.
Einer der frühesten Amerikaner?
Die Forscher gehen aber davon aus, dass das Skelett mindestens 13.000 Jahre alt sein muss. „Wir sind sicher, dass unsere Altersbestimmung ziemlich korrekt ist und dass dieser Beckenknochen demnach 13.000 Jahre alt sein könnte“, so Stinnesbeck und seine Kollegen. Damit könnten die Überreste des jungen Mannes zu den ältesten bisher bekannten auf dem amerikanischen Kontinent gehören.
Allerdings: Gerade in letzter Zeit haben Forscher Hinweise darauf entdeckt, dass es vielleicht schon weitaus früher Menschen in der Neuen Welt gab. So könnten Klingenspuren an Knochen in Alaska schon 24.000 Jahre alt sein und Bearbeitungsspuren an Mastodonknochen sogar schon 130.000 Jahre – falls diese Spuren tatsächlich von Menschen stammen. (PLOS ONE; 2017; doi: 10.1371/journal.pone.0183345)
(PLOS, 01.09.2017 – NPO)