Überraschend komplex: Forscher haben herausgefunden, nach welchen Rezepten die berühmte Terrakotta-Armee produziert wurde. Die Handwerker verwendeten demnach eine einheitliche Lehmmischung, der aber je nach Zweck verschiedene Zutaten beigemischt wurden. Eine straffe Organisation und feste Arbeitsteilung sorgte dabei für einheitliche Standards. Entgegen früheren Annahmen müssen die Tonfiguren zudem in festen Öfen gebrannt worden sein, wie Materialanalysen nahelegen.
Generäle, Bogenschützen, Infanteristen, Offiziere, Wagenlenker: Die Terrakotta-Armee des chinesischen Kaisers Qin Shihuangdi ist einzigartig und weltberühmt. Mehr als 7.000 lebensechte Figuren ließ der Kaiser für sein Grabmal fertigen und in Kriegsformation aufstellen. Ein Großteil dieser Soldaten wurde aus vorgefertigten Tonteilen zusammengesetzt und dann individuell verziert und mit erstaunlich lebensechter Mimik ausgestattet. Analysen belegen zudem, dass die Figuren einst bunt bemalt waren.
Wie wurden sie hergestellt?
Rätselhaft jedoch blieb bisher, wie und wo die unzähligen Figuren produziert wurden. „Wegen ihrer Größe und ihres Gewichts nimmt man zwar an, dass die Tonfiguren im oder in der Nähe des Mausoleums gefertigt worden sind, aber bisher sind weder Werkstätten noch Produktionsabfälle in dessen Umfeld entdeckt worden“, berichten Patrick Sean Quinn vom University College London und seine Kollegen.
Auch die Technik, mit der die Tonkrieger hergestellt wurden, ist ebenso unklar wie umstritten. Einige Forscher vermuten, dass die Handwerker vorwiegend ungebrannten Ton verwendeten. Es gibt aber auch Analysen, die auf ein Brennen des Materials hindeuten. Um mehr Aufschluss über den Fertigungsprozess der Tonkrieger zu erhalten, haben Quinn und seine Kollegen Proben von 14 Terrakotta-Figuren analysiert und mit Proben von fünf Tonziegeln des Bodens und Resten der Lehmfüllung von drei bronzenen Statuen aus dem Grab verglichen.
Drei verschiedene Rezepte
Die Analysen enthüllten: Das Rohmaterial für alle Bauten und Figuren war zwar gleich, aber es wurde je nach Zweck auf drei verschiedene Arten gezielt verfeinert und ergänzt. Die Basis bildete ein kalkfreier Lehm, der zahlreiche Körnchen aus Quarz und Biotit enthielt. Dieser stammte wahrscheinlich aus den ausgedehnten Lössschichten in der unmittelbaren Nähe des Grabmals, wie die Forscher berichten.
Für die Ziegel der Wände und des Bodens in den Grabkammern verwendeten die kaiserlichen Handwerker den Lehm weitgehend unbehandelt. Die Lehmmischung wurde nur in Form gepresst und getrocknet, wie ihre Mikrostruktur zeigt. Die Analysen sprechen zudem dafür, dass diese Ziegel nicht gebrannt wurden.
Spezialmischungen für die Figuren
Anders dagegen die Figuren: Für die tönernen Kriegerstatuen mischten die Handwerker den rohen Lehm mit feinem Flusssand, wie Mikroskopaufnahmen enthüllten. „Dieser Sand verbesserte die Klebrigkeit des feinen Lehms und erleichterte es so, die kunstvollen Krieger- und Artistenfiguren zu formen“, erklären Quinn und seine Kollegen. „Zudem erzeugte der Sand Poren im Lehm, durch die das Wasser beim Trocknen besser verdunsten konnte.“
Die Analysen legen zudem nahe, dass die Tonfiguren nach dem Trocknen bei rund 750 Grad gebrannt worden sind – rund 150 Grad weniger als bisher angenommen. „Dafür muss es geschlossene, permanente Brennöfen gegeben haben“, erklären die Forscher. „Nur in ihnen konnte der Lehm so langsam erhitzt werden, dass das chemisch gebundene Wasser ohne Rissbildung aus den dicken Statuenwänden entwich.“ Gleichzeitig gewährleisteten nur diese Öfen eine anhaltende und gleichmäßig hohe Temperatur.
Warum allerdings bis heute kaum Reste solcher Öfen gefunden wurden, bleibt offen. Quinn und seine Kollegen vermuten, dass die meisten Werkstätten nach Beendigung des Grabmals im Jahr 210 vor Christus wieder abgebaut wurden.
Porenbildner für die Bronze-Statuen
Für die Bronzefiguren vermischten die Handwerker das Sand-Lehmgemisch zusätzlich mit zerkleinertem Pflanzenmaterial. „Dieses verkohlte und verbrannte teilweise beim Brennen und hinterließ charakteristische Hohlräume“, so die Forscher. Die Arbeiter des Kaisers könnten diese Technik genutzt haben, um das Gewicht der Tonfüllung zu verringern. Gleichzeitig aber machten die vielen Luftlöcher es nach dem Brennen leichter, die Füllung wieder aus der hohlen Bronzefigur herauszuschlagen.
„Im Gegensatz zu früheren Annahmen wurde demnach ein überraschend komplexer Prozess genutzt, um aus dem Rohmaterial eine geeignete Paste für die Herstellung der Figuren zu erhalten“, berichten die Wissenschaftler. Dies spreche dafür, dass die verschiedenen Tonprodukte auch von jeweils verschiedenen Arbeitergruppen gefertigt wurden – jede war speziell für den jeweiligen Prozess geschult.
Eine zentrale „Materialausgabe“
Die einheitliche Zusammensetzung der Lehmbasis bei allen Rezepten legt aber nahe, dass es am Mausoleum eine zentrale „Fabrik“ für die Zubereitung des Grundlehms gab. Von dieser erhielten dann die einzelnen Werkstätten ihren Rohstoff und verarbeiteten ihn weiter. „Dies stellte sicher, dass überall das standardisierte Grundrezept verwendet wurde“, so die Forscher.
Die Arbeitsteilung und effizienten Materialströme könnten erklären, warum das gewaltige Mausoleum in einer vergleichsweise kurzen Zeit fertiggestellt werden konnte. Eine straffe Organisation sorgte offenbar dafür, dass jeder der rund 700.000 Arbeiter und Handwerker genau wusste, was er zu tun hatte und für welchen Teilprozess er und seine Gruppe zuständig waren. (Antiquity, 2017; doi: 10.15184/aqy.2017.126)
(Antiquity, 30.08.2017 – NPO)