Welches Handsignal gewinnt? Schimpansen können lernen, das Spiel „Schere-Stein-Papier“ zu spielen – sie verstehen, wann welches Handsignal gewinnt. Dies erfordert einiges an kognitiven Leistungen, denn je nach Paarung wechselt die Hierarchie der Handsignale. Doch nach etwas Training schnitten die Menschenaffen bei diesem Spiel genauso gut ab wie vierjährige Menschenkinder. Allerdings: Die Kinder begriffen das Prinzip deutlich schneller.
Schimpansen verblüffen uns immer wieder aufs Neue mit ihren kognitiven Fähigkeiten. Unsere nächsten Verwandten nutzen nicht nur Werkzeuge und haben ein uns sehr ähnliches Sozialverhalten, sie verstehen sogar Filmhandlungen und erkennen sich selbst im Video. Und noch etwas haben sie mit uns gemeinsam: Affenkinder, aber auch Erwachsene, spielen gern.
Kinderspiel als Intelligenztest
Aber sind die Schimpansen auch fähig, die Regeln bestimmter Spiele zu lernen und zu begreifen? Um das herauszufinden, haben Jie Gao von der Universität Kyoto und seine Kollegen sieben Schimpansen auf die Probe gestellt. Die Aufgabe: Die Menschenaffen sollten das Spiel „Schere-Stein-Papier“ lernen – ein bei Menschen beliebtes Fingerspiel. Zum Vergleich brachten die Forscher auch 38 Kindergartenkindern dieses Spiel bei.
Bei diesem Spiel bilden die beiden Spieler zeitgleich mit ihrer Hand ein bestimmtes Symbol: die flache Hand für das Papier, die gespreizten Finger für die Schere oder die geballte Faust für den Stein. Es gewinnt dabei immer derjenige, der das überlegene Symbol geformt hat: Das Papier wickelt den Stein ein, der Stein schlägt die Schere und die Schere wiederum schneidet das Papier. Jedes Handsignal kann demnach je nach Paarung entweder überlegen oder unterlegen sein.
Welches Handsignal ist überlegen?
Würden die Schimpansen dieses Prinzip begreifen? Um das zu testen, brachten die Forscher ihren Schimpansen die verschiedenen Paarungen nacheinander bei: Erst lernten sie, dass Papier besser ist als der Stein. Tippten sie das überlegenen Handsignal an, bekamen sie zur Belohnung ein Apfelstück. Lagen sie nach einigen Trainingssitzungen zu 90 Prozent richtig, lernten sie das zweite Paar und dann schließlich das dritte.
Nach dieser Lernphase folgte der eigentliche Test: Die Schimpansen bekamen nun die Paarungen von Handsignalen in zufälliger Reihenfolge gezeigt, zudem wurden teilweise menschliche Hände statt Schimpansenhände genutzt. Die Herausforderung nun: Die Schimpansen mussten begriffen haben, dass ein Signal, beispielsweise Papier, nicht immer die richtige Antwort ist, sondern dass diese von der Paarung abhängt.
Wie ein vierjähriges Kind
Und tatsächlich: Die Schimpansen verstanden das Prinzip – zumindest die meisten von ihnen. Fünf der sieben Menschenaffen schlossen Training und Testphase erfolgreich ab. Sie tippten in der Mehrheit der Durchgänge das jeweils überlegene Handsignal an. „Das demonstriert, dass Schimpansen die wechselnden Beziehungen der Signale zueinander in einem solchen Spiel lernen können“, konstatieren Gao und seine Kollegen. Zudem können die Menschenaffen die Handsignale soweit generalisieren, dass sie sie sowohl bei Schimpansen- als auch bei Menschenhänden erkennen.
Die Leistungen der Schimpansen entsprechen damit denen eines vierjährigen Kindes, wie die Vergleichstest mit den Kindergartenkindern ergaben. „Erst ab einem Alter von rund 50 Monaten lagen die Ergebnisse der Kinder über dem bloßen Zufall“, berichten die Forscher. Davor haben Kinder noch nicht das kognitive Handwerkszeug zu dieser Form des Problemlösens entwickelt.
Lernen dauert länger
Allerdings: Insgesamt benötigten die Schimpansen zum Lernen und Begreifen des Spiels wesentlich länger als die Kindergartenkinder. „Die Kinder änderten ihre Wahl direkt, nachdem sie einmal falsch getippt hatten, währen die Schimpansen mehrere Durchgänge benötigten, um sich zu korrigieren“, berichten die Forscher.
Dadurch hatten die Kinder meist schon nach fünf Durchgängen das Prinzip des Spiels verstanden, die Schimpansen benötigten dagegen durchschnittlich mehr als 300 Sitzungen. Häufig begriffen sie nicht, dass das eben noch richtige „Papier“ in einer anderen Paarung dann nicht mehr die korrekte Antwort war. (Primates, 2017; doi: 10.1007/s10329-017-0620-0)
(Springer Nature, 14.08.2017 – NPO)