Psychologie

Schon Babys erkennen Siegertypen

Kleinkinder bringen eine dominante Persönlichkeit mit Erfolg in Verbindung

Gewinnertypen im Kinderzimmer: Schon Kleinkinder nehmen dominante Persönlichkeiten als erfolgreicher wahr. © FamVeld/ iStock.com

Wer ist hier der Boss? Schon Babys erkennen, wer in einem Personenkreis der dominante Charakter ist – und verknüpfen diese Eigenschaft automatisch mit Erfolg. Das zumindest legen nun Experimente mit Kleinkindern nahe. Demnach erwarteten die Kinder offenbar, dass eine als dominante Persönlichkeit eingeführte Puppe in einem Film mehr Legosteine bekam als ein vermeintlich schwächerer Charakter – ein erstaunliches Ergebnis, wie die Forscher erklären.

Sei es der Charismatische, der geborene Anführer oder die Stimmungskanone: Jeder kennt aus seinem Alltag solche augenscheinlichen Gewinnertypen – und beneidet sie womöglich heimlich. Studien zeigen, dass diese sozial dominanten Persönlichkeiten ein Leben auf der Erfolgsspur führen. Sie verdienen mehr, werden häufiger gelobt, haben mehr Freunde und reüssieren auch in Sachen romantische Avancen öfter als Otto Normalverbraucher.

Erwachsene erkennen schnell, wenn sie es mit einer Person zu tun haben, die am oberen Ende der sozialen Nahrungskette einzuordnen ist. Dabei scheint die Differenzierung zwischen Sieger- und Verlierertypen erstaunlich tief verwurzelt zu sein, wie eine Studie nun zeigt. Denn schon Babys erkennen nicht nur, wer dominant ist. Sie bringen diese Charaktereigenschaft offenbar auch automatisch mit Erfolg in Verbindung.

Dominanter Filmcharakter

Diese erstaunliche Entdeckung haben Elizabeth Enright von der University of Washington und ihre Kollegen bei Experimenten mit 17 Monate alten Kleinkindern gemacht. Die Forscher ließen ihre 80 kleinen Probanden kurze Videosequenzen mit Puppen in einfachen sozialen Situationen anschauen und beobachteten dabei, wie die Babys reagierten.

Zunächst bekam jedes Kleinkind mindestens sechsmal hintereinander einen Einführungsfilm gezeigt. Darin wurde eine bestimmte Puppe als dominanter Charakter vorgestellt, indem sie sich bei einem Wettbewerb gegen eine andere Puppe durchsetzte. Anschließend schauten die Babys eine Reihe weiterer Videos, die dieselbe Puppe in einer anderen Situation zeigten.

Eine Geschichte – drei Enden

Das Besondere daran: Diese Filme erzählten jedes Mal die gleiche Geschichte, jedoch mit unterschiedlichen Enden. Während die dominante Puppe in einem Video mehr Legosteine bekam als eine zweite, erhielt sie in einem anderen weniger und in einem dritten bekamen beide Charaktere gleich viele Legosteine.

Würden die Kinder auf diese drei Erzählungen unterschiedlich reagieren? Um das zu überprüfen, analysierten die Wissenschaftler, wie lange sich die Babys auf den Ausgang der Geschichte fokussierten. Als Maß galt ihnen dabei die Länge des Blicks: „Babys können nicht sprechen, daher müssen wir uns anderer Mittel bedienen, um zu erkennen, wie viel Aufmerksamkeit sie einem Ereignis schenken“, erklärt Enright. Dabei gelte: „Kleinkinder betrachten Dinge länger, die sie als ungewöhnlich empfinden.“

Unerwartetes Ergebnis

Die Auswertung zeigte: Die Babys schauten im Schnitt sieben Sekunden länger auf den Bildschirm, wenn die vermeintlich schwächere Person mehr Legosteine erhielt oder wenn das Spielzeug gleichmäßig verteilt wurde. Das deute darauf hin, dass die Kinder diesen Ausgang der Geschichte nicht erwartet hatten, sagt Enrights Kollegin Jessica Sommerville. Denn der verweilende Blick lege nahe, dass das Gehirn die gesehene Information länger verarbeiten müsse.

Für die Forscher ist damit klar: Schon Babys erwarten offenbar, dass ein dominantes Individuum im Wettstreit um Ressourcen – sei es Aufmerksamkeit oder Spielzeug – grundsätzlich mehr bekommt. Das ist besonders erstaunlich, weil Kleinkinder normalerweise Gerechtigkeit erwarten und positiv auf faires Teilen reagieren, wie Untersuchungen belegen. Doch augenscheinlich sind sie in der Lage, diese Erwartungen anzupassen: in Abhängigkeit von dem sozialen Status, dem sie einer Person zuschreiben. (Cognition, 2017; doi: 10.1016/j.cognition.2017.03.008)

(University of Washington, 01.08.2017 – DAL)

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